Anklage: Haitis Premier in Präsidentenmord verwickelt?

Anklage: Haitis Premier in Präsidentenmord verwickelt?
Premierminister Ariel Henry soll in der Nacht des Attentats mit einem der Hauptverdächtigen in dem Mord telefoniert haben.

Einen Polit-Komplott scheinen die nationalen Behörden hinter der Ermordung des haitianischen Staatspräsidenten Jovenel Moïse im Juli zu vermuten: Die Staatsanwaltschaft hat eine Anklage gegen den Interims-Premierminister Ariel Henry beantragt. Dieser soll in der Nacht des Attentats mit einem der Hauptverdächtigen in dem Mordfall telefoniert haben.

Staatsanwalt Bed-Ford Claude forderte, "aufgrund der Schwere der aufgedeckten Tatsachen" eine Ausreisesperre gegen Henry zu erlassen. Als Reaktion auf die Vorwürfe soll Henry den Obersten Staatsanwalt entlassen haben. In einem entsprechenden Schreiben von Henry, das vom Montag datiert war und das haitianische Medien am Dienstag verbreiteten, wird Claudes Entlassung mit "schwerem administrativem Fehler" begründet.

Plötzlich Premier

Der 53 Jahre alte Moïse war in der Nacht auf 7. Juli in seiner Residenz von einer schwer bewaffneten Kommandotruppe überfallen und erschossen worden. Seine Ehefrau Martine wurde dabei angeschossen, überlebte aber. Nach Polizeiangaben führten kolumbianische Söldner den Mord aus. Zu den Hintermännern sollen ein haitianischer Arzt, der in den USA wohnte, und ein Ex-Funktionär des haitianischen Justizministeriums gehören. Es gab zahlreiche Festnahmen, aufgeklärt wurde der Fall bisher nicht.

Moïse hatte Henry keine 36 Stunden vor seinem Tod zum bereits siebten Regierungschef seiner Amtszeit ernannt. Henry und sein Kabinett wurden allerdings nach einem Machtkampf um das Amt erst mehrere Wochen später am 20. Juli vereidigt.

Todesdrohung gegen Ermittler

Da Haiti seit Anfang 2020 kein beschlussfähiges Parlament hat, konnte der 71 Jahre alte Ex-Innenminister und Neurochirurg nicht verfassungsgemäß im Amt bestätigt werden. Am 26. September waren Präsidenten- und Parlamentswahlen in dem ärmsten Land Amerikas geplant. Medienberichten zufolge werden diese auf den November verschoben.

Jovenel Moïse wurde vor einem Monat ermordet

Moïse galt als unpopulär. Zum Begräbnis kamen dennoch zahlreiche haitianische Bürgerinnen und Bürger.

Einige Ermittler im Fall Moïse haben angegeben, Todesdrohungen erhalten zu haben und sich deshalb versteckt zu halten. Der ursprünglich zuständige Richter trat zudem vor einem Monat zurück, er gab persönliche Gründe an. Örtliche Medien berichteten zuletzt auch über Machtkämpfe in der Regierung, vor allem zwischen Henry und dem Justizminister Rockfeller Vincent.

Der Mord stürzte den ohnehin von Instabilität und großer Armut geprägten Karibikstaat in eine noch tiefere Krise. Moïse hatte Haiti zuletzt per Dekret regiert, nachdem eine für 2018 geplante Parlamentswahl unter anderem wegen Protesten gegen ihn verschoben worden war. Der Präsident war unpopulär: Viele Haitianer machten ihn für die Corona-Krise im Land und die zunehmende Gewalt durch kriminelle Banden verantwortlich.

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