Nach Brandenburg-Wahl: Grünen-Spitze in Deutschland tritt zurück

Nach Brandenburg-Wahl: Grünen-Spitze in Deutschland tritt zurück
Grünen befänden sich in der "tiefsten Krise in einer Dekade", sagte Omid Nouripour. Die Doppelspitze war 2022 gewählt worden.

Paukenschlag bei den Grünen! Der gesamte Parteivorstand, einschließlich der Co-Vorsitzenden Ricarda Lang (30) und Omid Nouripour (49), hat am Mittwoch seinen Rücktritt angekündigt.

Nouripour begründete den Rücktritt mit dem verheerenden Ergebnis bei der Landtagswahl in Brandenburg, bei der die Grünen-Partei aus dem Landtag flog. Die Grünen befänden sich in der „tiefsten Krise in einer Dekade“.

"Jetzt ist nicht die Zeit, um am Stuhl zu kleben – jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen, und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen", sagte Ricarda Lang. Bis zum Grünen Parteitag in Wiesbaden (15. bis 17. November) bliebe man noch geschäftsführend im Amt. 

Die Grünen hatten bei den jüngsten Landtagswahlen im Osten Deutschlands erhebliche Rückschläge erlitten und verloren in Thüringen und Brandenburg ihre Sitze im Landesparlament. In aktuellen Umfragen liegt die Partei bei nur noch 9,5 Prozent – ein Rückgang auf den niedrigsten Stand seit sieben Jahren. Bei der Wahl in Brandenburg verloren die Grünen 24 Prozentpunkte bei den 16- bis 24-Jährigen. 

Neben Lang und Nouripour gehören Emily Büning (Politische Geschäftsführerin), Frederic Carpenter (Schatzmeister) Pegah Edalatian (Vize) und Heiko Knopf (Vize) zum Parteivorstand.

Habeck: "Schritt von großer Stärke und Weitsicht"

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck lobte die Entscheidung seines Parteivorstands: „Dieser Schritt zeugt von großer Stärke und Weitsicht. Ricarda Lang und Omid Nouripour beweisen, was für sie der Parteivorsitz bedeutet: Verantwortung. Sie machen den Weg frei für einen kraftvollen Neuanfang. Das ist nicht selbstverständlich, es ist ein großer Dienst an der Partei.“

Habeck sagte weiter: „Hinter uns liegen harte Monate, die Grünen standen voll im Gegenwind.“ Die Niederlagen bei den letzten Wahlen seien unstrittig vom Bundestrend beeinflusst. „Wir tragen hier alle Verantwortung, auch ich. Und auch ich will mich ihr stellen.“

Die Grünen wollen im Herbst entscheiden, ob sie bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr einen Kanzlerkandidaten

Auswirkungen auf Ampel-Koalition?

Die deutschen Grünen sind nicht die einzige deutsche Regierungspartei in einer tiefen Krise. Auch die FDP verlor bei allen kürzlich erfolgten Wahlen massiv, kam in Brandenburg etwa auf keinen einzigen Prozentpunkt. Das Rumoren innerhalb der Partei war schon vor der Wahl in Brandenburg groß - der Grünen-Rücktritt dürfte viele Ampel-Gegner in der Partei weiter davon überzeugen, dass die Koalition mit SPD und Grünen viel an Stabilität eingebüßt hat.

Die Beratungen über den Etat der Bundesregierung für 2025 könnten die endgültige Sollbruchstelle der Koalition sein. Der große Showdown im Haushaltsausschuss ist Mitte November mit der Bereinigungssitzung. Bis dahin müssen die Haushälter es schaffen, noch drei bis vier Milliarden Euro einzusparen, damit die Rechnung aufgeht. Oder die Ampel entscheidet sich doch, höhere Kredite aufzunehmen und die Schuldenbremse wegen des Ukraine-Kriegs auszusetzen.

Das ist für die FDP des deutschen Finanzministers Christian Lindner allerdings eine absolute rote Linie. Mehrfach hat der Parteichef deutlich gemacht, dass die Einhaltung der Schuldenbremse und der Verzicht auf Steuererhöhungen für ihn Voraussetzungen für ein Mitregieren in der Ampel sind.

Hiobsbotschaften aus der Industrie haben zuletzt ein neues Thema in den Vordergrund gespült: Es drohen massiver Stellenabbau und große Job-Verlagerungen in Ausland - etwa bei Volkswagen, beim Zulieferer ZF Friedrichshafen oder dem Stahlgiganten ThyssenKrupp. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat sich deshalb die Rettung von Industriearbeitsplätzen auf die Fahnen geschrieben. „Und wir werden uns kümmern“, versprach er.

CDU: „Die Fliehkräfte in der Ampel nehmen weiter zu“

Unterdessen sieht der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, den Wechsel an der Grünen-Spitze als Zeichen für einen Zerfall der Ampel-Koalition. „Die Fliehkräfte in der Ampel nehmen weiter zu“, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch. „Mit dem Rücktritt des gesamten Parteivorstands der Grünen zerbröselt die Koalition vor laufenden Kameras.“

Gerade jetzt könne sich Deutschland einen weiteren Verlust an Regierungsfähigkeit nicht leisten, sagte Frei. „Anstatt in eine wochenlange Hängepartie zu schlittern, wären mutige Entscheidungen notwendig“, forderte der Abgeordnete. Die Menschen im Land erwarteten Antworten auf die sich zuspitzende Wirtschaftskrise. „Und sie verlangen eine Kehrtwende in der Migrationspolitik.“

 

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