Großbritannien weint mit der Queen um Prinz Philip
Blumen, Glocken, Kanonen, Fotos auf digitalen Werbetafeln und Beileidsbekundungen auf sozialen Medien: Mit einer Mischung aus Tradition und Moderne trauert Großbritannien mit Queen Elizabeth II. um Prinz Philip, den Duke of Edinburgh, der am Freitag im Alter von 99 Jahren verstarb.
41 Salutschüsse in 40 Minuten feuerten Samstag mittag Kanonen – vom Tower of London und von Edinburgh Castle über Cardiff und Belfast bis nach Gibraltar. Auch auf allen britischen Marineschiffen wurden 41 Salutschüsse abgefeuert.
Beim Pferderennen Grand National und bei Fußballspielen wurden Schweigeminuten abgehalten. Die Sportler trugen schwarze Armbinden.
So manche im Land waren von der Intensität ihrer Reaktion auf den Tod des Prinzgemahls selbst überrascht. „Ich hätte nicht erwartet, so traurig zu sein“, erzählt Emma, 37, dem KURIER. In ihrem Ort knapp außerhalb von London öffnete eine Kirche am Freitag ihre Pforten für Trauernde, die beten und Kerzen anzünden wollten.
Der Union Jack und andere Landes-Flaggen wehen auf halbmast.
„Ein Leben im Dienst“
Das Boulevardblatt The Sun fing am Samstag an die Queen gerichtet die Stimmung so ein: „Wir weinen alle mit Ihnen, Madam“.
Viele äußerten ihre Trauer auf Twitter. So schrieb eine Frau: „Es ist mir nicht peinlich zu weinen und mit einem Glas Fizz auf ein erstaunliches Leben im Dienst des Landes anzustoßen.“
Hunderte, teils weinende, Menschen erwiesen ihm vor dem Wochenende die letzte Ehre und legten vor Buckingham Palace und Windsor Castle Blumen und Dankeskarten nieder – trotz Bitten, wegen der Corona-Pandemie fern zu bleiben.
Die königliche Familie richtete ein digitales Kondolenzbuch ein und bat Menschen, lieber für wohltätige Zwecke zu spenden.
Auch die Fahrer von Londons berühmten schwarzen Taxis würdigten den Prinzgemahl, indem sie ihre Autos entlang der Mall nahe des Palastes aufreihten. Und viele digitale Werbeflächen in der Hauptstadt, wie der große Bildschirm am Piccadilly Circus, zeigten für 24 Stunden statt Reklame Fotos des Duke of Edinburgh.
Am Freitagabend tönten dann 99 Glockenschläge in Londons berühmter Westminster Abbey, der Kirche wo Elizabeth und Philip 1947 geheiratet hatten. „Mir tut vor allem die Queen leid“, beschreibt Emma ihre Emotionen.
Ihre 73 Ehejahre mit Philip rückten auch viele Zeitungen in den Mittelpunkt. „Meine Kraft und mein Halt“ zitierte The Times die Königin auf ihrer Titelseite. Ähnlich der Daily Star: „Ihr Felsen“. Und sogar die konservative Daily Mail und der Labour-treue Daily Mirror einigten sich auf fast die gleiche Schlagzeile: „Leb wohl, mein Geliebter“ und „Auf Wiedersehen, mein Geliebter“. Wie auch so manche andere, druckten beide Philip-Sonderbeilagen.
Immer wieder betont wurde Prinz Philips Fokus auf öffentlichen Dienst und Pflichterfüllung. „Ein Leben im Dienst“, titelte der Evening Standard.
Prinz Charles würdigte seinen Vater gegenüber BBC: „Seine Energie, meine Mutter so lange zu unterstützen, war erstaunlich. Was er getan hat, war eine große Leistung, denke ich.“ Charles, Anne, Andrew und Edward standen ihrer Mutter bei. Edwards Frau, Gräfin Sophie, sagte sichtlich bewegt und mit Tränen in den Augen über die Reaktion der Königin auf den Tod ihres Mannes: „Die Queen war beeindruckend.“ Es wird erwartet, dass Prinz Edward den Titel Herzog von Edinburgh von seinem Vater übertragen bekommt.
Zu viel Berichterstattung
Die öffentlich-rechtliche BBC und der Fernsehsender ITV warfen ihre Programmpläne am Freitag über den Haufen und berichteten fast durchgehend über den Tod und Einfluss von Philip. Moderatoren und Experten trugen oft schwarze Kleidung. Dass da sogar populäre Seifenopern wie „EastEnders“ und „Coronation Street“, sowie das „MasterChef“-Staffelfinale auf der Strecke blieben, stieß aber mancherorts sauer auf und führte auf Twitter zu Vergleichen mit einem anderen Land. „Wir sind nicht in Nordkorea“, schrieb etwa Roz. Die BBC richtete eine Website für Beschwerden über „zu viel Berichterstattung“ ein. Alex in London beklagte hingegen mangelnde Diskussionen über Philips oft kontroversielle Momente. Die BBC hätte Philips „rassistische Ausrutscher“ bisher heruntergespielt.
Aufregung gab es auch wieder in Belfast. Trotz Appellen, seit Tagen stattfindende Krawalle aus Respekt vor der Queen auszusetzen, bewarfen Randalierer wieder Polizisten mit Steinen und Molotowcocktails. Während der acht Tage Staatstrauer, die der Queen zustehen, rückt Politik aber in den Hintergrund. Es sollen keine Gesetze verabschiedet werden, und Parteien haben ihren Wahlkampf für Regional- und Lokalwahlen am 6. Mai unterbrochen.
Das Unterhaus in London kommt nach der Osterpause am Montag, einen Tag früher als geplant, zusammen. Unter anderem werden Premier Boris Johnson und Labour-Chef Keir Starmer dem Prinzen Tribut zollen. Johnson lobte Philip, dazu beigetragen zu haben, dass das Königshaus eine „bedeutsame Institution für das Gleichgewicht und Glück unseres nationalen Lebens“ bleibt.
Kommentare