Großbritannien: Fünf Tage Streit im Unterhaus

Der EU-Austritt hat die britische Parteienlandschaft auf den Kopf gestellt - die Frage spaltet, aber auch Kalkül spielt eine Rolle.

Soft Brexit oder Hard Brexit, das ist die Frage: In London beginnen heute um 14 Uhr die Beratungen im Unterhaus über den Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May. Fünf Tage lang wird im Unterhaus beraten. Am 11. Dezember soll das britische Parlament dann über das ausgehandelte Brexit-Abkommen abstimmen. Premierministerin May zieht alle Register, um für den Deal zu werben - doch es dürfte schwer werden, eine Mehrheit zu bekommen. Denn die Lage im Parlament ist extrem unüberschaubar.

Großbritannien: Fünf Tage Streit im Unterhaus

May kämpft um jede Stimme.

May braucht 320 Stimmen im Parlament in London, damit ihr Brexit-Abkommen ratifiziert wird. Derzeit sieht es nicht so aus, als könne sie genügend Abgeordnete von ihrem Deal überzeugen. Grob gerechnet muss May rund 100 Abgeordnete auf ihre Seite ziehen oder doppelt so viele zu einer Enthaltung bringen. Die Schwierigkeit dabei: Weniger Parteigrenzen spielen dabei eine Rolle als parteiübergreifende oder parteiinterne Befindlichkeiten.

Zählen kann May auf mindestens 150 Tory-Loyalisten aus der konservativen Fraktion, die als absolut Loyal zu May gelten. Sie haben neben ihrem Mandat Jobs in der Regierung und müssten sie abgeben, um gegen das Abkommen zu stimmen. Premierministerin May kann insgesamt wohl auf rund 220 treue Parteifreunde hoffen.

Zählen kann May auf mindestens 150 Tory-Loyalisten aus der konservativen Fraktion, die als absolut Loyal zu May gelten. Sie haben neben ihrem Mandat Jobs in der Regierung und müssten sie abgeben, um gegen das Abkommen zu stimmen. Premierministerin May kann insgesamt wohl auf rund 220 treue Parteifreunde hoffen.

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Der ultrakonservative Jacob Rees-Mogg treibt die Abkommens-Gegner vor sich her.

Da sind aber vor allem die konservativen Brexit-Hardliner, die ihr dazwischen funken. Und die machen bis zu 80 Mandatare aus und gruppieren sich um die so genannte European Research Group um den exzentrischen Hinterbänkler Jacob . Wie viele Parlamentarier aus dieser Gruppe auf jeden Fall gegen den Deal stimmen werden, ist unklar. May müsste aber den Großteil dieser Gruppe auf ihre Seite ziehen, um eine Chance zu haben. Knapp 30 Parlamentarier aus diesem Kreis haben aber bereits versucht, May zu stürzen.

Eine andere Gruppe innerhalb der Tories sind wieder jene, die für einen Verbleib Großbritanniens in der EU (also eine Abkehr vom Brexit) oder zumindest eine enge Anbindung an die EU eintreten. Die EU-freundlichen Tories machen rund 12 Abgeordnete um den ehemaligen Generalstaatsanwalt Dominic Grieve aus. Im Brexit-Abkommen dürften einige die Chance sehen, wenigstens einen harten Bruch mit der EU zu vermeiden.  Oder auch nicht. Rückenwind erhielt diese Fraktion am Dienstag durch einen Gutachter am Europäischen Gerichtshof: Demnach könnte Großbritannien seinen Brexit-Antrag gemäß geltendem EU-Recht einfach zurückziehen.

Und schließlich ist da die die Labour Party, die wiederum in sich in mehrere Lager gespalten ist. Da sind vor allem einmal die Labour-Loyalisten, die hinter Labour-Chef Jeremy Corbyn stehen und wie er auf Neuwahlen spekulieren. Sie sind gegen das Brexit-Abkommen, um Theresa May scheitern zu lassen. Rund 180 Abgeordnete dürften diesem Lager angehören.

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Labour-Mann Chuka Umunna führt jene Labour-Fraktion an, die den Brexit am liebsten abblasen wollen.

Da sind aber auch EU-freundliche Labour-Hinterbänkler, die zweites Referendum und eine Abkehr vom Brexit fordern - rund 60 Parlamentarier, die sich um den charismatischen Abgeordneten Chuka Umunna scharen. Aber auch sie dürften das Abkommen mehrheitlich ablehnen.

Bis zu 20 Abgeordnete aber könnten für Für Mays Brexit-Deal stimen. Die Labour-Rebellen sind entweder selbst vom EU-Ausstieg überzeugt oder könnten wahltaktische Gründe geltend machen, wenn sie - wie etwa die Abgeordnete Caroline Flint - in ihren Wahlkreisen selbst eine große Brexit-Wählerschaft.

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DUP-Chefin Arlene Foster ist gegen das Abkommen. Ihre Partei gilt aber als käuflich.

An sich geschlossen gegen den Deal hingegen dürfte die DUP sein. Die 10 Abgeordneten der nordirischen Protestantenpartei könnten aber zum Zünglein an der Waage werden. Parteichefin Arlene Foster lässt keinen Zweifel daran, dass ihre Partei das Abkommen nicht unterstützen will. Zudem droht die DUP damit, die Regierung fallen zu lassen. Die DUP will keinerlei Sonderstatus für Nordirland akzeptieren, wie er im Brexit-Abkommen vorgesehen ist. May ist seit der vorgezogenen Neuwahl im vergangenen Jahr aber auf die Stimmen der DUP angewiesen. Fraglich ist jedoch, ob sich die Nordiren mit Geldversprechen für ihre wirtschaftlich abgehängte Provinz kaufen lassen.

Hinzu kommen 50 Abgeordnete kleinerer Oppositionsparteien, die mehrheitlich gegen den Deal sind. Das sind die Schottische Nationalpartei (SNP), die Liberalen, Grüne, die Waliser-Partei Plaid Cymru. Die meisten haben sich klar gegen den Brexit positioniert und fordern ein zweites Referendum.

 

 

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