Lesbos, Leros, Samos, Chios, Kos. Allesamt wunderbare griechische Ferieninseln in der Ägäis – bis dort, an der Außengrenze der EU, Flüchtlingslager errichtet wurden.
In diesen „Hotspots“, so 2016 der Plan der Europäer, sollte rasch geklärt werden, wer als Flüchtling Asyl bekommen soll. Diese Menschen sollten dann nach einem fixen Schlüssel auf die EU-Staaten verteilt werden. So war es Griechenland wie auch Italien und anderen Mittelmeerstaaten versprochen worden, doch es wurde nichts daraus. Die EU konnte sich auf keine gemeinsame Linie einigen.
2,64 Milliarden
Die Mittelmeerländer und die Inselbewohner, die 2015 die Flüchtlinge sehr freundlich aufgenommen haben, fühlen sich längst im Stich gelassen. Allen voran Griechenland, obwohl im Zusammenhang mit Migration reichlich Geld in Richtung Athen geflossen ist: 2,64 Milliarden Euro hat die EU den Griechen seit 2015 zugesichert (siehe Grafik weiter unten).
Geld für Polizei und Grenzschutz, für den gesamten Asylbereich, Integrationsmaßnahmen und Rückschiebungen und natürlich auch für die Versorgung der Menschen in den Flüchtlingscamps auf den Inseln und auf dem Festland.
Dennoch sind die Zustände in den Camps der Ägäis-Inseln seit Jahren menschenunwürdig – nicht nur im Camp Moria, das vergangene Woche abgefackelt wurde. Fünf Migranten wurden wegen angeblicher Brandstiftung am Dienstag verhaftet.
Und am Dienstagabend brach auf der griechischen Insel Samos nahe des dortigen Flüchtlingslagers ein Feuer aus. „Es brennt am Rande des Registrierzentrums“, sagte der Bürgermeister der Ortschaft Vathy, Giorgos Stantzos. „Noch brennen keine Zelte, aber ich bin besorgt.“ Griechische Politiker warnen seit Tagen vor der „Moria-Taktik“, wonach Feuer auch in anderen Flüchtlingslagern gelegt werden könnten
Warum, wenn doch so viel Geld in den vergangenen Jahren schon geflossen ist, blieb die Lage in den Camps so katastrophal?
Zum Teil aus bürokratischen Gründen. Die Lagerleitung in Moria hat beispielsweise immer wieder urgiert, das Camp an das Abwassersystem anzuschließen. Dafür hätte es nur weniger Rohre bedurft. Passiert ist es trotzdem nicht. Andere berichteten über einen tagelang in der Luft schaukelnden Container: Weil sich regionale und Athener Behörden stritten, durfte er nicht vom Kran gelassen werden.
Druck erzeugen
Die Antwort, warum die Zustände noch immer unter jeder Kritik sind, könnte einfach sein: Griechenland will damit Druck erzeugen, um nicht die Hauptlast der Migration tragen zu müssen. Daher schickt es auch nicht einfach ein paar Kreuzfahrtschiffe für die obdachlosen Menschen auf Lesbos. Athen will einen fairen Pakt mit den anderen EU-Staaten und nicht nur Geld. Und es will nicht mehr mit der Herausforderung, dass jederzeit an der türkisch-griechischen Grenze Migranten stehen könnten oder übers Meer kommen, allein gelassen werden.
Wie rasch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine neue große Fluchtbewegung in Gang setzen kann, hat er erst vor einem halben Jahr bewiesen, als er die Landgrenze zu Griechenland für Flüchtlinge öffnen ließ.
Griechenland ging damals mit absoluter Härte vor. Es konnte nur mit einem Großaufgebot an Polizei, Wasserwerfern und Tränengas die Menschen stoppen, denen Erdoğan falsche Hoffnungen gemacht hatte.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis konnte sich damals – wie auch heute – der Unterstützung der überwiegenden Mehrheit der Griechen für seine verschärfte Migrationspolitik sicher sein. Dabei ging er soweit, sogar das Recht auf Asyl aussetzen zu lassen. Die EU-Spitze jettete damals zu Mitsotakis, inspizierte mit ihm die Grenze und dankte ihm. Griechenland sei „Europas Schild“, sagte damals EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
"Sehr wachsam"
Die europäische Grenzschutzagentur Frontex unterstützt die Griechen aktuell mit 620 Grenzschützern aus 21 Ländern, darunter auch Österreich. Weiters sind 14 Schiffe, ein Flugzeug, ein Hubschrauber und ein Dutzend Patrouillen-Fahrzeuge im Einsatz. Frontex sei angesichts der angespannten Lage im Mittelmeer „sehr wachsam“, so ein Frontex-Sprecher.
Mitsotakis forderte am Dienstag Solidarität: Europa brauche eine gemeinsame Migrations-, Asyl- und Rückführungspolitik. Das niedergebrannte Flüchtlingslager in Moria sei ein Relikt der Vergangenheit. Jetzt brauche es eine neue Einrichtung mit europäischer Unterstützung.
EU-Ratsvorsitzender Charles Michel betonte in Athen die Notwendigkeit einer Reform des europäischen Asylsystems. „Wir müssen eine gerechte und starke Antwort zur Bekämpfung der Schleuser und ein neues Asylsystem entwickeln.“ Nächsten Mittwoch will die Kommission den neuen EU-Migrationspakt vorstellen.
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