Griechenland: So soll die Pleite vermieden werden

Der Hut brennt: Spielräume gibt es dennoch.
Geplanter Kompromiss: Griechen akzeptieren strengere Budgetziele, erhalten letztes Mal Geld.

Staatspleite, Grexit – oft wurden diese Drohszenarien bemüht. Jetzt allerdings ist die Gefahr, dass Griechenland ins Chaos stürzt, tatsächlich groß wie noch nie. Der Karren scheint völlig verfahren. Die „Institutionen“, also die Verhandler der Geldgeber, beharren darauf, dass Athen höhere Budgetüberschüsse erzielen, die Pensionen kürzen und die Mehrwertsteuer anheben muss. Das schließt die griechische Regierung kategorisch aus. Beide Seiten haben ihre finalen Angebote abgesteckt – jetzt wird taktiert. Nach dem Motto: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.

Spielräume gibt es dennoch. Auf Seiten der Institutionen kursiert ein Kompromissvorschlag, mit dem beide Seiten ihr Gesicht wahren könnten, erfuhr der KURIER am Rande der Volkswirtschaftlichen Tagung der OeNB in Wien. Dieser sieht vor: Die Griechen akzeptieren die höheren Budgetüberschüsse, welche ihnen die Geldgeber vorschreiben – für 2015 beispielsweise ein Plus von einem Prozent der Wirtschaftsleistung (ohne Schuldendienst). Sie dürften aber weitgehend selbst darstellen, wie sie das Ziel ohne Pensionseinschnitte und mit einer nur moderat höheren Mehrwertsteuer erreichen. Mit der Zusage könnten die Geldgeber die noch ausstehende Kredittranche von 7,2 Mrd. Euro freigeben.

Der Hintergedanke: Ein drittes Hilfspaket würde es nicht geben. Schließlich hatte Finanzminister Yanis Varoufakis ohnehin betont, Griechenland wolle seine Schulden nicht durch weitere Kredite erhöhen. Ein Schuldenschnitt wäre nicht nötig – zumindest nicht sofort: Wenn sich Athen über den „Zahlungsbuckel“ retten kann, der 2015 für den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) anfällt, wäre das Schlimmste geschafft. Die Zinsen sind ohnehin schon so niedrig wie für kaum ein anderes Euroland.

Faymann in Athen

Die linksradikale Syriza-Regierung müsste dann beweisen, dass ihre Rezepte funktionieren und sie die Finanzen unter Kontrolle halten kann. Daran gibt es außerhalb Athens große Zweifel. Solch ein Politdeal würde also die Pleite vorerst verhindern. Eine langfristige Lösung wäre das wohl noch nicht. Genau damit hat der IWF Probleme: Er pocht darauf, dass die Europäer sofort einen Schuldenschnitt akzeptieren. In Brüssel vertraut man darauf, dass der IWF dennoch an Bord bleibt.

Die EZB hält sich in der Debatte nobel zurück. Die Gespräche würden jetzt auf höchster Politebene geführt, sagte EZB-Chefökonom Peter Praet in Wien. Dabei mischt auch Österreich mit: Kanzler Faymann fliegt am Dienstagabend nach Athen und wird am Mittwoch Premier Alexis Tsipras treffen. Die Griechen hoffen auf seine Vermittlung. „Die extreme Sparpolitik kann so nicht weitergeführt werden“, wurde Faymann von der griechischen Nachrichtenagentur ANA zitiert. Bei Strukturreformen gebe es immer Spielräume und Wahlmöglichkeiten, sagte EZB-Ökonom Praet. Diese müssten auch nicht unbedingt harte Einschnitte für die Bevölkerung bedeuten. Allerdings müsse am Ende des Tages die Rechnung passen.

Griechenland: So soll die Pleite vermieden werden
A young man skates at the entrance of the Bank of Greece headquarters in Athens, Greece in this June 10, 2015 file photo. Greece's situation took a turn for the worse last week when the International Monetary Fund's delegation walked out of negotiations in Brussels citing "major differences" with Athens over how to save the country from bankruptcy. REUTERS/Alkis Konstantinidis/Files GLOBAL BUSINESS WEEK AHEAD PACKAGE - SEARCH "BUSINESS WEEK AHEAD JUNE 15" FOR ALL IMAGES
Zuletzt wurde die Idee diskutiert, dass Griechenland seine exorbitant hohen Militärausgaben kürzen und dafür geringere Einschnitte bei niedrigen Pensionen vornehmen könnte. „Ich spreche jetzt als Bürger: Ich wäre sehr enttäuscht, wenn diese Diskussion nicht stattfinden würde“, sagte dazu OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny.

Wie viel ein eventueller Schuldenschnitt für Griechenland Österreich kosten würde, wollte er nicht kommentieren. Nur so viel: „Wir haben die Zahlen.“ Ein 50-Prozent-Schuldenschnitt würde sich auf das österreichische Budget nach Angaben der APA sofort mit 4,5 Mrd. Euro auswirken.

Börse Athen stürzt ab

Die Uhr tickt: Am 30. Juni muss Athen 1,6 Mrd. Euro an den IWF zahlen – Geld, das die Regierung nicht hat. Jetzt ruhen die Hoffnungen auf dem Eurogruppen-Treffen am Donnerstag in Luxemburg.

Wie groß die Furcht vor der Katastrophe ist, war am Montag an den Börsen abzulesen. Der Leitindex des Athener Aktienmarktes stürzte zu Handelsbeginn um sieben Prozent ab. Bis zum Nachmittag hatte sich der Verlust nur minimal auf –5,20 Prozent verringert. Die größte Bank, die National Bank of Greece, lag 13 Prozent im Minus.

Angesichts zunehmender Nervosität im Schuldendrama um Griechenland und zahlreicher Medien-Leaks hat die EU-Kommission am Montag Details ihres Angebots an Athen öffentlich gemacht. Dieses beinhaltet nach Angaben einer Sprecherin keine Forderung nach Kürzungen bei Pensionen oder Löhnen, auch beim Primärüberschuss sei man Griechenland "ganz wesentlich" entgegengekommen.

So sei nicht nur das Ziel für 2015 mit nunmehr einem, statt vorher drei Prozent des BIP "erheblich verringert worden", hieß es vonseiten der Kommission. Dasselbe gelte auch für den 2016 angestrebten Wert von 4,5 Prozent: Dieser läge nun bei drei Prozent und sei zudem um zwei Jahre, auf 2018 nach hinten verschoben worden. Als neues Ziel für 2016 schlägt die EU nun zwei Prozent Primärüberschuss vor. Hierbei handle es sich bereits um "bedeutende Zugeständnisse", so die Sprecherin. Nun sei Griechenland an der Reihe: "Das ist keine Einbahnstraße."

Was das Pensionssystem betreffe, so sei dieses nicht nur "einer der teuersten Teile des griechischen Budgets", sondern auch "eines der teuersten Pensionssysteme in Europa", weshalb die Forderung nach einer Reform nur verständlich sei. Allerdings habe die EU-Kommission nie Kürzungen bei einzelnen Pensionen zur Bedingung gemacht, sondern sei auch offen für andere Einsparungsschritte, etwa ein späteres Pensionsantrittsalter. Hier gebe es noch zu wenig Bewegung von griechischer Seite: "Wir haben Einsparungen in Höhe von einem Prozent des BIP jährlich verlangt", betonte die Sprecherin, Griechenland biete aktuell jedoch nur 0,4 Prozent an.

Auch sei es "nicht wahr", dass die EU Lohnkürzungen verlange. Allerdings sei man der Meinung, dass "Einkommen im Einklang mit der Wirtschaftskraft wachsen sollen".

Den Schritt die Verhandlungspositionen öffentlich zu machen, begründete ein Sprecher am Montag mit der "Vielzahl an zirkulierenden Falschinformationen". Daher sei die EU-Kommission zu dem Schluss gekommen, "dass jetzt der Moment ist", das Brüsseler Angebot öffentlich zu machen: "So kann jeder sehen, wo wir stehen."

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