Letzter Akt mit ungewissem Ende

Alexis Tsipras
Woran eine Einigung im Schuldendrama auf der Zielgeraden noch scheitern könnte.

Eine Einigung zwischen Griechenland und seinen Geldgebern ist nahe – aber unter Dach und Fach ist sie noch lange nicht. Obwohl sich Athen mit seinen jüngsten Reform-Vorschlägen – zum ersten Mal, wie Diplomaten ätzen – ordentlich bewegt hat, war die Stimmung beim Sonder-Eurogipfel am Montag äußerst angespannt.

Von Streit unter den Finanzministern war die Rede; von grimmiger Stimmung bei der Sitzung der Staats- und Regierungschefs.

Auf der einen Seite stehen jene, die einen Deal zum Verbleib der Hellenen in der Eurozone als oberste Priorität sehen – auch wenn man dafür nachgeben muss. Einige Regierungschefs plädierten dafür, das "große Ganze" zu sehen, so wie Kanzler Werner Faymann, der Solidarität mit den Griechen einforderte: "Die EU ist so stark wie ihr schwächstes Glied."

Auf der anderen Seite sind die Hardliner, darunter solide Euroländer wie Finnland und die Niederlande; dazu Staaten, die in den vergangenen Jahren selbst eiserne Sparprogramme durchgezogen haben, so wie die Balten.

Dazwischen die Frau, die einen Deal wohl am ehesten herbeiführen kann: Kanzlerin Angela Merkel, der man, so sagen es Sitzungsteilnehmer, am Montag nicht anmerkte, zu welchem Lager sie tendiert. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", hat Merkel zuletzt oft gesagt. "Was sie will, weiß man nicht", kritisiert ein Regierungschef.

Druck auf Tsipras

Die gespaltene Eurozone ist dabei nicht der größte Unsicherheitsfaktor auf dem Weg zu einer Lösung: In Brüssel zweifeln viele, ob Premier Alexis Tsipras seine Vorschläge (rechtzeitig) durch das griechische Parlament bringt. Es müsste zumindest einen Teil der angekündigten Reformen beschließen, bevor das aktuelle Rettungsprogramm noch einmal verlängert werden kann. Am 30. Juni läuft es aus.

Am Mittwoch kommt Alexis Tsipras mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EZB-Chef Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde in Brüssel zusammen. Falls es zu eine Vereinbarung auf ein Spar- und Reformpaket gebe, könnten möglicherweise 1,9 Milliarden Euro aus Anleihegewinnen der EZB relativ rasch fließen, hieß es am Dienstag in Brüssel. Entscheidungen dazu gebe es noch nicht.

Letzter Akt mit ungewissem Ende

Bei der griechischen Linkspartei Syriza bröckeln jetzt die Versprechen: Nach den Parlamentswahlen im Jänner weigerte sich Premier Alexis Tsipras, überhaupt mit der EU, EZB und IWF über Reformen zu verhandeln. Die letzte Kreditrate von 7,2 Milliarden Euro wollten der Premier und sein Finanzminister Varoufakis erst gar nicht. Doch im Lauf der vergangenen fünf Monate gab Tsipras mehr und mehr nach. Die "roten Linien" von früher – etwa höhere Mehrwertsteuer, höherer Primär-Überschuss und sogar die Erhöhung der Krankenversicherungszahlungen für Pensionisten – hat er mit seinem jüngsten Sparvorschlag alle überschritten.

Während man sich in Brüssel diesmal positiver über den neuesten Tsipras-Kompromiss äußerte, liegt noch in den Sternen, ob der Premier ihn auch den eigenen Parteigenossen in Athen schmackhaft machen kann. "Alles hängt davon ab, welche Reformmaßnahmen in der endgültigen Liste bleiben", sagte Kostas Eleutheriou, ein Politologe, der sich auf die linke Parteienszene in Griechenland spezialisiert hat, dem KURIER.

Viele Abtrünnige

Bevor Tsipras einen Vertrag mit den Gläubigern unterzeichnen kann, muss er ihn vom Parlament in Athen bewilligen lassen. Der radikalere Teil von Syriza, angeführt von Energieminister Panagiotis Lafazanis, kann es Tsipras besonders schwer machen. Dieser Gruppe gehören etwa 30 der 149 Syriza-Abgeordneten an.

Die Zahl der Rebellen aus den eigenen Reihen könnte aber noch höher sein: 49 Syriza-Parlamentarier verlangten in der Vorwoche, dass die vorläufigen Ergebnisse des Parlamentsausschusses über die Staatsschulden im Plenum debattiert werden. Der Ausschuss erklärte die Schulden für nicht legal und befand, dass sie daher auch nicht zurückgezahlt werden müssten.

"Manche Syriza-Abgeordnete werden ideologische Probleme haben, einer Vereinbarung mit den Gläubigern zuzustimmen – weil sie weitere Sparmaßnahmen ablehnen", meint Eleutheriou. Bei vielen sei die Angst aber zu groß, dass man durch ein Scheitern bei den Verhandlungen auch die Regierungsmacht verlieren könnte. Auch der kleinere Koalitionspartner "Anel" fürchte sich davor und würde deswegen ein neues Abkommen unterstützen.

Tsipras’ "Hauptziel war es, zuerst die Wirtschaft und die Stellung seiner Regierung zu stärken. In den kommenden Monaten wird er nun versuchen, einige der Vereinbarungen mit den Gläubigern neu zu verhandeln", meint Eleutheriou.

Kommentare