Griechenland: Einblick in die neue Partei

Der Staat und seine Bürger, alle sind in Griechenland knapp bei Kasse: Immer lauter wird die Forderung an die EU nach einem Schuldenschnitt
"Erleichterung der Schuldenlast": Ex-Außenminister Droutsas über Wahlchancen, Politsünden und einen dritten Weg.

Griechenland liegt im Wahlkampf-Fieber. Am 25. Jänner entscheiden die Bürger über ihre neue Regierung – und damit über die Zukunft des Landes. Laut Umfragen liegt die linkspopulistische Syriza-Partei um rund sieben Prozentpunkte vor der regierenden Nea Dimokratia. Das Zünglein an der Waage könnte bei einer Regierungsbildung die neu gegründete Partei "Bewegung demokratischer Sozialisten" des ehemaligen Premiers Giorgios Papandreou werden.

Der engste Vertraute und langjährige Weggefährte von Papandreou, Ex-Außenminister und EU-Abgeordneter Dimitri Droutsas, gibt Einblick in die neue Partei.

KURIER: Herr Droutsas, was wollen Sie erreichen?

Dimitri Droutsas: Eine jüngere Generation glaubt an die Notwendigkeit großer Veränderungen. Wir arbeiten an einer Zukunft für die Jungen.

Papandreou gehört dem alten Establishment an, dem Klientelismus und auch Korruption vorgehalten werden. Wie will die neue Partei glaubwürdig sein?

Griechenland: Einblick in die neue Partei
Der Widerspruch ist mir bewusst, ich bestehe aber darauf, dass Papandreou einer der wenigen Hoffnungsträger in Griechenland ist. 2010 ist Papandreou nach zweieinhalb Jahren von der Regierungsverantwortung entfernt worden, nicht demokratisch. Strukturelle Reformen sind Stückwerk geblieben, Premier Samaras hat sie nicht weitergeführt.

Was hat Regierungschef Samaras falsch gemacht?

Samaras hat eine Rechtsaußen-Politik betrieben. Ich beziehe mich nicht auf die Wirtschafts- und Finanzmaßnahmen. Samaras hat die demokratischen Institutionen, das Parlament und die Medien, nicht respektiert. Die Informationen, die die Bürger bekommen, sind alle gefiltert.

Koalitionspartner von Samaras ist Ihre ehemalige sozialistische Partei PASOK.

Mir hat an PASOK-Chef Venizelos nicht gefallen, dass er als Koalitionspartner von Samaras all diese Eingriffe in die demokratischen Grundrechte der Bürger mitgetragen hat. Das geht nicht.

Was ist Ihr Plan?

Ohne große Veränderungen und Strukturreformen kommt Griechenland nicht aus der Krise. Es muss das griechische Grundübel entfernt werden, und zwar die Abhängigkeiten der alteingesessenen politischen Klasse von den Oligarchen, die das wirtschaftliche, mediale und politische Geschehen beherrschen. Die großen Veränderungen sind deshalb so schwierig, weil nur sehr wenige es wagen, sich mit diesem System anzulegen. Samaras und Venizelos haben das sicherlich nicht getan.

Warum sollen die Bürger Ihrer Partei vertrauen?

Die große Mehrheit hat den Eindruck, dass die Reformen von außen aufgezwungen worden sind. Wir müssen selbst den Reformplan für Griechenland erarbeiten und diese Reformen danach einem Referendum unterziehen. Die Bürger müssen sich mit den Reformen identifizieren. Über den Plan, der vom Volk mittels Referendum unterstützt wird, wollen wir mit den EU-Partnern reden. Diese Gespräche schließen auch die Schuldenerleichterung mit ein.

Das heißt, Sie wollen wie Syriza einen Schuldenschnitt?

Wir müssen mit der EU über den richtigen Weg für eine Erleichterung der Schuldenlast sprechen. Eine Schuldenkürzung ist nicht auszuschließen.

Wollen Sie aus den EU-Verpflichtungen aussteigen?

Absolut nicht. Die EU verlangt ja Reformen. Wir müssen das Bild in den Köpfen ändern, wonach Reformen Auflagen sind, die uns aufgezwungen wurden.

Werden die EU-Partner dem zustimmen?

Es geht darum, dass Griechenland ein Erfolg wird. Unser Vorschlag ist ein dritter Weg, um das Einverständnis zwischen griechischen Bürgern und der EU zu finden.

Was ist Ihr Wahlziel? Wen schließen Sie als Koalitionspartner aus?

Natürlich die neofaschistische Goldene Morgenröte. Für eine Zusammenarbeit ist jede Kraft möglich, die sich demokratischen und progressiven Werten verpflichtet fühlt und ein Verständnis für Schichten hat, die hier Not leiden. Unser Ziel ist der Sprung ins Parlament, die Hürde liegt bei drei Prozent.

Wer auch immer die nächste Woche als griechischer Wahlsieger beginnen wird, steht vor doppelten Koalitionsverhandlungen: In Athen gilt es, eine möglichst stabile Mehrheit für die neue Regierung zu bilden; in Brüssel muss mit den Euro-Partnern darüber gesprochen werden, wie es mit Griechenlands Schulden weitergeht und ob es ein weiteres Hilfspaket geben wird. In beiden Runden wird es auch darum gehen, Klarheit über Griechenlands Zukunft als Mitglied der Eurozone zu schaffen. Anders formuliert: Das "Grexit"-Gespenst geht wieder um in Europa.

Alexis Tsipras, dessen Linksbündnis Syriza laut jüngsten Umfragen einem Wahlsieg am Sonntag entgegensteuert, hat angekündigt, den von der alten Regierung eingeschlagenen Sparkurs zu lockern und mit den internationalen Geldgebern über Erleichterungen beim Schuldendienst zu verhandeln.

Ob Tsipras tatsächlich der nächste Regierungschef in Athen wird, was von seinen Ankündigungen dem Wahlkampf geschuldet war und wo er wirklich ernst machen will, kann noch niemand sagen. Doch schon Tsipras’ vollmundige Versprechen haben in Europa Reaktionen ausgelöst: Dem Vernehmen nach werden in Berlin und Brüssel schon Kontakte zu Syriza geknüpft, falls man in ein paar Wochen tatsächlich mit einem Ministerpräsidenten Tsipras verhandeln muss. Für diesen Fall – und wohl auch, damit sich der eine oder andere potenzielle Syriza-Wähler noch einmal überlegt, wo er sein Kreuzerl macht – gab es auch schon inoffizielle "Warnschüsse": Man hielte den Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung im Berliner Kanzleramt mittlerweile für "verkraftbar", wurde kolportiert. Offiziell dementierte die Regierung Merkel derlei Planspiele, doch die Botschaft an Tsipras war offensichtlich: Er solle es bloß nicht übertreiben mit den Forderungen an die Geldgeber; man werde sich nicht erpressen lassen, die Reformversprechen seien einzuhalten – egal, von wem.

"Die Griechen wissen sehr genau, was ein falsches Wahlergebnis für Griechenland und die Eurozone bedeuten würde", sagt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Eine nur mäßig verklausulierte Wahlempfehlung für Tsipras’ Kontrahenten.

Milliarden-Hilfen

Abseits des Wahlkampf-Getöses geht man in Brüssel davon aus, dass ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro mehr eine Drohgebärde (von beiden Seiten) denn eine reale Bedrohung darstellt. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Tsipras dauerhaft auf Konfrontationskurs mit den Euro-Partnern gehen würde. Außerdem rechnet man mit einem Koalitionspartner, der mäßigend auf Syriza einwirkt – falls das Linksbündnis in die Regierung kommt.

Die Euro-Länder wiederum haben ihrerseits ebenfalls kein Interesse daran, Griechenland ziehen zu lassen: Die Hilfskredite – insgesamt wurde Athen seit 2010 von EU und Internationalem Währungsfonds mit Hilfsprogrammen im Umfang von 240 Milliarden unterstützt – könnten sie dann wohl großteils abschreiben. Auch ist niemand erpicht darauf, zu testen, wie sehr das Ausscheiden selbst eines schwachen Euro-Landes das Vertrauen in die Währungszone schwächen würde.

Schuldenschnitt

Als für beide Seiten machbarer Kompromiss gilt eine Verlängerung der Kredit-Laufzeiten für Athen, auch ein neuerlicher Schuldenschnitt scheint möglich. Über beides wird vermutlich in jedem Fall mit der neuen Regierung verhandelt werden. Griechenland hält bei einer Rekordverschuldung von 176 Prozent der Wirtschaftsleistung und erholt sich nur sehr langsam von der Krise. 2014 soll die Wirtschaft nach Jahren der Rezession erstmals wieder gewachsen sein.

Schon die theoretische Debatte über ein "Grexit" zeigte praktische Wirkung: Viele Menschen ziehen Geld von den Banken ab. Die Zentralbank hat nach eigenen Angaben daher bereits für die vier führenden Banken bei der EZB die Genehmigung so genannter Not-Liquiditätshilfen beantragt.

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