Wer vom Balkan nach Österreich will, muss entweder in Quarantäne – oder braucht ein Gesundheitszeugnis, also einen negativen PCR-Test. Das muss reichen, um Corona-Einschleppungen zu verhindern. Oder?
„Nein“, sagt Katharina Fuiss-Sölkner. Die Medizinerin arbeitet beim Corona-Team des Grazer Ärztenotdiensts, und was sie dort erlebt, lässt einen massiv an den Einreiseregelungen zweifeln. „Wir hatten kürzlich einen Patienten aus dem Westbalkan bei uns, der nach einem Heimaturlaub wieder nach Österreich gereist ist, um hier seine Arbeit aufzunehmen“, sagt sie. „Er kam mit Symptomen zu uns in den Ärztenotdienst, wurde getestet – und war positiv.“
Das ist freilich kein Einzelfall; Menschen, die bei der Einreise negative Atteste vorlegen und später dennoch krank werden, kommen der Ärztin öfter unter. „Viele dieser Menschen aus Risikogebieten arbeiten bei uns im Pflegebereich oder in systemrelevanter Infrastruktur. Für sie gibt es bei der Einreise nach Österreich ja die Ausnahme von der 14-tägigen Quarantäne“.
Genau darin liegt aber das Problem: „Wenn vermeintlich gesunde Menschen ihrer Arbeit nachgehen, können sich sehr schnell Cluster bilden, wie wir es kürzlich in diversen Schlachtbetrieben erlebt haben. Noch viel problematischer ist es im Pflegebereich. Da sind dann viele Personen gefährdet, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf – eventuell mit Todesfolge – haben.“
Gefälschte Atteste und mangelhafte Laborqualität in den Herkunftsländern sind dabei nur ein Faktor – das eigentliche Problem sind die PCR-Tests selbst, die nichts aussagen, sagt die Ärztin. „So ein Test ist ja lediglich eine Momentaufnahme und kann eine Infektion nicht ausschließen.“ Wer heute gesund ist, kann morgen krank sein – und das Risiko steigt, weil die Einreise-Atteste ganze vier Tage alt sein dürfen.
Für Fuiss-Sölkner müssten daher alle Einreisenden aus Risikogebieten verpflichtend in Isolation. „Bei Rückkehr aus einem Risikogebiet gibt nur die 14-tägige Quarantäne Sicherheit vor Einschleppung – mit einem negativen PCR-Test am Ende der Absonderung.“
Das wäre aber vor allem für die vielen Pflegerinnen vom Balkan nicht machbar. Sie pendeln alle zwei Wochen zwischen Heimat und Arbeitsort und dürfen derzeit mit negativem PCR-Test einreisen. Eine 14-tägige Quarantäne könnte sich angesichts der niedrigen Löhne wohl kaum jemand leisten.
Eine weitere Hürde sieht die Medizinerin in den langen Wartezeiten. Auch wenn die Regierung mehrfach versprochen hat, dass nur 48 Stunden zwischen Test und Ergebnis liegen dürfen, sieht das in der Realität anders aus: „In der Steiermark hat es zuletzt bis zu einer Woche gedauert, bis ein Patient ein Testergebnis mitgeteilt bekam.“
Das liege daran, dass derzeit so gut wie jeder Atemwegsinfekt getestet werde, was prinzipiell gut und wichtig sei, wie die 57-Jährige sagt. „Um die Infektionsketten mittels Contact Tracing rasch zu durchbrechen, ist aber ein schnelles Testergebnis ausschlaggebend. Das Ziel muss sein, möglichst innerhalb von 24 Stunden einen Abstrich zu machen und ein Testergebnis zu liefern. Da ist unsere Regierung gefordert“, sagt sie.
Geschehe das nicht, laufen wir im Herbst Gefahr, dass sich das Virus diffus im Land verbreite. Und „dann stehen wir vor dem nächsten Lockdown.“
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