Gesittete letzte TV-Debatte: Trump kann Biden keinen Schlag versetzen
Trump-Biden: Gesittetes TV-Duell mit etwas Emotion
In der letzten TV-Debatte vor dem Wahltag in den USA am 3. November hat der in Umfragen zurückliegende Amtsinhaber Donald Trump seinem Rivalen im Kampf um die Präsidentschaft, Joe Biden, keinen entscheidenden Schlag versetzen können, der das Rennen noch auf den Kopf stellen könnte.
Dank schärferer Regeln geriet das 96-minütige Duell, das der Sender NBC aus Nashville im Bundesstaat Tennessee übertrug, nicht wie bei der Premiere Ende September zur nervtötenden Schlammschlacht und Schreierei.
"Gelogen wie Pinnochio"
Moderatorin Kristen Welker hatte die Kandidaten, bei denen Trump auf Empfehlung seiner Berater disziplinierter auftrat und auf Beleidigungen weitgehend verzichtete, solide unter Kontrolle.
Biden, der von Trump permanent der Früh-Demenz geziehen wird, erwies sich bis auf wenige Verhaspeler wach, schlagfertig, kämpferisch und gut im Stoff. Damit dürfte das Kapitel vom angeblich amtsunfähigen Biden, an dem Trump seit über einem Jahr schreibt, endgültig beendet sein.
Umgekehrt verließ Trump selten die bekannte Rolle des Halb- und Unwahrheiten präsentierenden Populisten, der die Fakten-Checker großer US-Medien zu Überstunden trieb. "Er hat gelogen wie Pinnochio", sagte ein CNN-Moderator.
Sachlich wenig Neues
Der Austausch brachte insgesamt sachlich wenig Neues. Weite Strecken der Debatte bestanden aus bekannten Behauptungen und Gegenbehauptungen über Steuer- und Gesundheitspolitik, über Handel und Klimawandel. Über Rassismus und Polizeiarbeit. Und über das Thema Nr. 1 - die Coronavirus-Krise.
Trump lobte sich und seine Regierung erneut selbst für einen "tollen Job". Die Krise sei bald überwunden, das Virus werde verschwinden und vorher durch wirksame Impfstoffe besser bekämpfbar sein. Trump wiederholte mehrfach, dass die Therapie nicht schlimmer sein dürfe als das Problem. Amerika lerne gerade, mit dem Virus zu leben.
Biden blaffte zurück: "Die Menschen lernen, damit zu sterben!”. Er sieht Totalversagen bei seinem Kontrahenten, der für über 220 000 Tote verantwortlich sei und immer noch „keinen echten Plan” habe, um die weiter grassierende Pandemie einzudämmen, während Amerika ein „dunkler Winter” drohe. Bidens Fazit, das in Umfragen seinen Wiederhall findet: "Jeder, der für so viele Tote verantwortlich ist, sollte nicht Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika bleiben."
Außenpolitik, Klimawandel
Als die Außenpolitik angesprochen wurde, nahm Trump für sich in Anspruch, durch Verhandlungsgeschick einen Krieg mit dem nach Atomwaffen strebenden Nordkorea verhindert zu haben. Biden hielt dem entgegen, dass das kommunistische Regime heute stärker und näher an der A-Waffe sei als vor vier Jahren. Trump Behauptung, sein guter Draht zu Machthaber Kim Jong Un zahle sich aus, konterte Biden sarkastisch so: "Wir hatten ein gutes Verhältnis zu Hitler, bevor er in Europa einfiel."
Bidens Grimassenspiel, das von Himmel-hilf-Blicke über Augenrollen und Kopfschütteln alles bereithielt, war beim Thema Klimawandel am intensivsten. Trump holte dabei seinen Evergreen hervor, wonach Windräder „alle Vögel töten” würden und Amerika derzeit die sauberste Luft und das sauberste Wasser habe. Biden bekräftigte im Falle eines Sieges, unverzüglich dem Klima-Abkommen von Paris wieder beizutreten und Amerika bis 2050 frei von CO2-Treibhausgasen zu machen. Als Biden ausführte, dass zu seinem Programm der schleichende Ausstieg aus der Förderung fossiler Energieträger wie Öl gehöre, unkte Trump, dass die Wähler in Öl-Bundesstaaten wie Texas, Oklahoma und Pennsylvania dies sehr aufmerksam registrieren würden.
Weitgehend untergepflügt wurden mehrere Versuche Trumps, mit Breitband-Attacken auf den Charakter Bidens zu zielen und ihn als "korrupten" Politiker zu zeichnen, der sich im Ausland auf Kosten Amerika bereichert habe.
Dazu hatte der in nahezu allen Umfragen deutlich hinter Biden zurückliegende Präsident einen 48 Jahre alten Marine-Veteran als seinen "Ehrengast" in der Belmont Universität von Nashville platziert. Tony Bobulinski war nach eigenen Angaben Chef der Firma "Sinohawk Holdings", die für Hunter Biden, den Sohn des Vizepräsidenten, lukrative Geschäfte mit chinesischen Stellen erledigt haben will, an denen auch Biden Senior partizipiert haben soll.
Dass der Alt-Vizepräsident öffentlich behauptet, er habe nie mit seinem Sprößling über Geschäftliches gesprochen, sei falsch, sagte Bobulinski vor Debatten-Beginn gegenüber Journalisten. „Ich weiß das aus erster Hand, weil ich direkt mit der Familie Biden, einschließlich Joe Biden, zu tun hatte.” Bobulinski will 2017 mit Joe Biden direkt über die „Geschäftspläne der Biden-Familie mit den Chinesen” gesprochen haben.
Er kündigte im Rahmen einer länglichen Stellungnahme an, sein von 2015 bis 2018 auf drei Mobiltelefonen gesichertes Wissen am Freitag mit der Bundespolizei FBI und zuständigen Senats-Ausschüssen zu teilen. Bobulinski betonte mehrfach, dass er politisch „mit niemandem ein Hühnchen zu rupfen” habe und seine Einlassungen als patriotischer Akt verstanden werden müssten. Sein spektakulärer Tenor:
„Die Biden-Familie hat aggressiv den Familien-Namen eingesetzt, um von ausländischen Organen Millionen Dollar zu bekommen, obwohl einige davon vom kommunistisch kontrollierten China stammten.”
Für Trump, etliche Republikaner und konservative Medien von Fox News über Breitbart bis zum Wall Street Journal hat sich damit der bereits in der Ukraine-Affäre erzeugte Eindruck erhärtet, dass der Präsidentschaftskandidat der Demokraten „korrupt” ist und die Unwahrheit gesagt hat. Trump forderte bereits von Justizminister Bill Barr die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen seinen Herausforderer und dessen Sohn; ohne jedoch einen Straftatbestand zu benennen.
Laut Bobulinski sollte „Sinohawk Holdings” mit der staatlich beherrschten Firma CFC China ein Joint-Venture etablieren, das zu Beginn mit zehn Millionen $ finanziert werden sollte. Ziel sei gewesen, in den USA in Infrastruktur, Immobilien und Technologie zu investieren. An dem Vorhaben sollte Biden Senior finanziell beteiligt werden, den Hunter Biden gegenüber Bobulinski als „der große Kerl” und „meinen Vorsitzenden” bezeichnet habe. Am Ende sei es zum Streit gekommen. Hunter Biden habe fünf Millionen $ aus dem Projekt auf eigene Konten umgeleitet.
Trumps Nebelkerzen
All diese Details kamen in der TV-Debatte allenfalls schemenhaft zum Vorschein. Immer wenn Trump das Thema aufbrachte, konterte Biden energisch - „Ich habe niemals in meinem Leben einen Penny von einer ausländischen Quelle angenommen” - und Moderatorin Welker führte die Diskussion zum Verdruss des Präsidenten zielstrebig wieder auf das eigentliche Thema zurück.
Andere Nebelkerzen hatte Trump bereits weit vor der ersten Frage geworfen. Im Laufe des Tages veröffentlichte er via soziale Medien einen 45-minütigen Mitschnitt eines Interviews, dass erst am Sonntag in der renommierten Magazin-Reihe "60 Minutes" auf dem Sender CBS ausgestrahlt werden soll. Trumps Ziel war es, die seit 30 Jahren tätige Top-Reporterin Lesley Stahl als Verkörperung von „Einseitigkeit”, „Hass” und „Unanständigkeit” darzustellen. Dabei war lediglich zu sehen, wie Trump auf berechtigte hartnäckige, kritische Fragen und Richtigstellungen der Journalistin vor allem zum Krisen-Management des Präsidenten in der Coronavirus-Pandemie zusehends unwirscher reagiert und das Interview vorzeitig abbricht. Überwiegende Reaktion in sozialen Medien: „Wehleidig, dieser Präsident”.
Am Ende der TV-Debatte wurden Biden und Trump gefragt, was sie im Fall eines Sieges den Amerikanern sagen würden, die nicht für sie gestimmt hätten. Biden: „Ich werde sagen: Ich bin ein amerikanischer Präsident, ich vertrete euch alle, ob ihr für oder gegen mich gestimmt habt.” Trump würde sagen: "Der Erfolg wird uns zusammenbringen."
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