Gesammelte Hitler-Fake-Tagebücher sind jetzt online
„Den ganzen Tag zu Hause geblieben. Am Abend Reichstagsbrand.“ Das und seinen Ärger über Verdauungsprobleme, über „Görings Weibergeschichten“ und ähnlich Prosaisches soll Adolf Hitler in 62 kunstledergebundene Tagebücher geschrieben haben.
Sie waren DIE Weltsensation jener Apriltage vor 40 Jahren: Hitler soll seine geheimsten Gedanken niedergeschrieben haben – und das renommierte Nachrichtenmagazin Stern brüstete sich, die Tagebücher entdeckt zu haben.
Chefredaktion, Geschäftsführung und Journalisten überschlugen sich vor Begeisterung. Einzelne Warnungen wurden geflissentlich in den Wind geschlagen. Warum etwa prangte F.H. in Großbuchstaben auf dem Umschlag der Bücher?
Riesige Zeitungsente
„Er hat doch nicht etwa Fritze Hitler geheißen“, witzelte Jahre später in der weltberühmt gewordenen Verfilmung des Skandals – „Schtonk“ – ein Schauspieler.
Nur zehn Tage nach dem Medienspektakel des Stern war klar: Alle Tagebücher sind plump gefälscht. Das verwendete Papier stammte aus den 50er-Jahren. Und was der geniale Kunst- und Urkundenfälscher Konrad Kujau da zunächst aus purem Spaß auf Papier gebracht hatte, entsprach weder der Bösartigkeit noch den Schriftgewohnheiten Hitlers.
Der schrieb wenig, und dabei unterliefen ihm immer wieder Fehler. Kujau dagegen schrieb fehlerfrei.
Von dem gewaltigen Skandal hat sich der Stern nie mehr ganz erholt. Die teuer erworbenen Fake-Tagebücher liegen in den Stern-Archiven.
Dennoch sind die gesammelten Bände ab sofort auf der Webseite des Norddeutschen Rundfunks (NDR) zu lesen. Mithilfe Künstlicher Intelligenz hat der NDR die Texte aus dem Original digitalisiert. Ein Politologe ordnet die Einträge mit Kommentaren ein.
Ein Kommentar dazu aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die gefälschten Tagebücher haben niemandem gefehlt.“
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