Gefolterter Rapper im Iran: Wer ist Toomaj Salehi?

Eigentlich ist Toomaj Salehi der klassische Badboy-Rapper - zumindest in den Augen des Mullah-Regimes, das ihn seit Oktober unter Folter in Haft hält. Doch in den Texten des 33-jährigen Iraners geht es nicht um Sex oder Drogen, sondern um Grundrechte, um Frauenrechte, um Freiheit und darum, dass die Iraner sich ihr Land zurückholen sollen. "Warte nicht auf einen Retter - du bist der Held! Wenn du und ich eine Einheit werden, dann gibt es keine Grenzen", rappt er etwa in einem seiner Songs. Als besondere Provokation für das Regime hat er sich bei Demos filmen lassen, um andere dazu zu ermutigen, auf die Straße zu gehen.
"Toomaj wurde gefoltert und es geht ihm körperlich nicht gut", berichtet sein Onkel Eghbal Eghbali, der schon vor vielen Jahren nach Deutschland geflüchtet ist, im Gespräch mit dem KURIER. "In den ersten Tagen wurde er so schwer gefoltert, dass er eine Woche lang nicht sprechen, essen oder trinken konnte." Ein Bein und mehrere Finger sollen gebrochen sein. Vor allem sein linkes Auge dürfte so schwer beschädigt sein, dass er damit einige Tage nicht sehen konnte. "Ein Arzt müsste sich das dringend ansehen, aber es wurde nichts getan, um ihm dafür oder für seine anderen Folter-Verletzungen medizinische Hilfe zukommen zu lassen."
Politische Familiengeschichte
Dieser Gefängnisaufenthalt ist für den Rapper aber bei Weitem nicht der Erste: Schon als Einjähriger war er mit seiner Mutter im Gefängnis eingesperrt. "Wir waren schon immer eine sehr politische Familie. Wir kämpfen seit vier Generationen für Freiheit im Iran", erzählt sein Onkel weiter. Die Familie gehört zur Volksgruppe der Bakhtiari im Vielvölkerstaat Iran und in seinen Liedern hat Toomaj Salehi immer wieder darauf gepocht, wie wichtig der Zusammenhalt zwischen den unterschiedlichen Gruppen ist. "Wenn die Welt nur eine Farbe hätte, Weiß oder Schwarz, dann wäre sie doch nicht schön."
Schon vor Toomajs Geburt seien seine zwei Onkel - also Eghbalis Brüder - Farshid (19 Jahre) und Houshang (21 Jahre) vom Regime getötet worden, berichtet der Onkel. "Als Toomajs Mutter verhaftet wurde, warf man ihr vor, dass sie den Familien von politischen Gefangenen geholfen hat." Später, als Toomaj 13 Jahre alt war, wurde seine Mutter krank, erzählt der Onkel weiter: "Ich habe versucht ihn und seine Mutter nach Deutschland zu bekommen, aber sie haben sie wegen unseres Nachnamens und unserer früheren Aktivitäten gegen das Regime nicht ausreisen lassen. Sie haben uns wie ein Virus behandelt." Toomajs Mutter konnte das Land nicht verlassen und starb.
Musik als Politik
Mit dieser Familiengeschichte fand Toomaj Salehi also seinen eigenen Weg politischen Protest auszudrücken: Über Musik. "Er hat über die Wahrheit im Iran gerappt", erzählt sein Onkel und das hat ihn vor zwei Jahren ins Gefängnis gebracht. "Auch damals haben wir überall über ihn gesprochen und medizinische Hilfe für ihn und andere Insassen gefordert, weil wir wussten, dass er sehr stark gefoltert wurde." Die Familie soll mehrfach vom Regime bedroht worden sein, doch sie ließ sich nicht aufhalten und letztendlich ließ man Toomaj Salehi gehen.
Danach veröffentlichte er etwa dieses Lied mit folgenden Textzeilen: "Wir sind wie Phönix aus der Asche, wir sind wie Feuer in der Kälte, wir sind endlos wie die Erde, wir erheben uns wie ein Sturm, steht auf!"
Diesmal wird dem Rapper "Moharebeh" vorgeworfen, also "Krieg gegen Gott", darauf steht die Todesstrafe. Aufgrund des öffentlichen Drucks - auch aus Europa - durfte er eigene Anwälte konsultieren. "Auch sein Vater durfte ihn ein paar Mal sehen, aber er spricht nicht darüber, weil er Angst hat, auch verhaftet zu werden oder seinen Sohn nicht mehr besuchen zu können."
Onkel Eghbali selbst hat in Deutschland keine Angst mehr vor dem Regime: "Ich bin geflüchtet, weil mir gesagt wurde, dass ich wie meine Brüder jederzeit erschossen werde, sobald sie mich finden. Ich bevorzuge es als freier Mensch zu sprechen. Wir leben nur ein Mal, also sollten wir ohne Angst leben."
Politischer Pate
In Österreich hat Helmut Brandstätter, Ex-Kurier-Chefredakteur und nunmehriger NEOS-Abgeordneter die politische Patenschaft für Toomaj Salehi übernommen und Ende Dezember in einem Brief an den iranischen Botschafter Auskünfte zu seinem Zustand und Kontakt zu ihm gefordert. Nachdem es dazu keine Reaktion gab, ist Brandstätter nochmals persönlich zur Botschaft gegangen, um den Brief vorbeizubringen. Auch darauf gab es bisher keine Antwort.
Wie wichtig solche Patenschaften sind, betonen auch die Freunde von Toomaj Salehi, die seine Social-Media-Accounts seit seiner Festnahme verwalten und aus Sicherheitsgründen anonym bleiben: "Ohne politische Patenschaften hätte das Regime Toomaj niemals einen eigenen Anwalt erlaubt und wer weiß, was sie ihm dann schon angetan hätten. Durch die internationale Hilfe, die unsere politischen Gefangenen bekommen, konnten schon einige Leben im Iran gerettet werden."
Dass Toomaj Salehi mit seiner Regimekritik sein Leben riskiert, war ihm also von Anfang an durchaus bewusst: "Ich bin nicht verrückt mein Leben zu verspielen, denn das ist kein Glücksspiel. Es ist wie Schach: Absolut vorhersehbar und berechenbar. Der Sieg der Menschen ist klar vorhersehbar. Die Menschen haben in der gesamten Geschichte schon immer triumphiert. Diktatoren sind gefallen."
Kommentare