Gefährliches Spiel um ein riesiges Stück Dschungel in Südamerika

Innenpolitisch in Bedrängnis, setzt Venezuelas Präsident Maduro auf Nationalismus
In Venezuela stimmte eine riesige Mehrheit der Bürger in einem „Referendum“ für die Annexion von Teilen Guyanas. In der Region ist man sehr besorgt.

Der Internationale Gerichtshof hatte Caracas unmittelbar vor dem Plebiszit noch gewarnt: Venezuela solle „jede Handlung unterlassen, die die gegenwärtige Lage in dem umstrittenen Gebiet ändern würde“. Vergebens. Der autoritär herrschende Präsident Nicolas Maduro zog „sein“ Referendum durch – das naturgemäß das gewünschte Ergebnis brachte. Mit mehr als 95 Prozent Zustimmung erhielt laut Behörden der Vorstoß, Teile des Nachbarlandes Guyana zu annektieren, eine satte Mehrheit. Das sorgt in Nachbarländern für Unruhe, Brasilien etwa hat seine Truppen an der Grenze verstärkt. Auch US-Militärvertreter waren bereits in Guyana.

Zwei Mal Österreich

Konkret geht es um die Essequibo-Region, die rund 160.000 Quadratkilometer umfasst und damit fast zwei Mal so groß wie Österreich ist (siehe Grafik). Dieser von Menschenhand noch weit gehend unberührte Dschungel mit tropischen Wäldern und Tafelbergen, vor allem von Indigenen bewohnt, macht immerhin zwei Drittel Guyanas aus. Die dortige Regierung kritisierte die Volksabstimmung folglich als „Handbuch zur Annexion“ und wird dabei von der „Organisation Amerikanischer Staaten“ unterstützt.

Gefährliches Spiel um ein riesiges Stück Dschungel in Südamerika

Der derzeitige Grenzverlauf wurde 1899 durch den Schiedsspruch eines Tribunals in Paris festgelegt, nachdem es eine unklare Trennlinie zwischen den Kolonialmächten Großbritannien und Spanien gegeben hatte. Venezuela hat seit je her ein Auge auf die Region geworfen und beruft sich auf das so genannte Genfer Abkommen 1966: Darin wurde wenige Monate vor der Unabhängigkeit Guyanas mit der damaligen Kolonialmacht Großbritannien vereinbart, dass der frühere Schiedsspruch aufgehoben und eine Verhandlungslösung angestrebt wird.

Massive Ölfunde

Dass 2015 in der Zone auch Erdöl gefunden wurde, das seit 2018 federführend vom US-Giganten ExxonMobil gefördert wird, macht die Essequibo-Region zusätzlich attraktiv. Und im heurigen Oktober wurden weitere unterirdische Öllager entdeckt, die die Reserven des Landes auf mindestens zehn Milliarden Barrel (zu je 159 Liter) erhöhen – ein Petroschatz, der in etwa dem entspricht, was Kuwait in zehn Jahren fördert.

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Dass Maduro den Anspruch auf Teile des Nachbarlandes, der in Venezuela quer durch alle politischen Lager unstrittig ist, derart aggressiv auf die Agenda setzt, ist auch der innenpolitischen Lage geschuldet. Aufgrund der Sanktionen und der staatlichen Mangelwirtschaft verliert der Präsident vor den Wahlen 2024 zunehmend an Rückhalt und versucht auf der nationalistischen Welle, dieser Entwicklung zu entkommen.

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