Japan zeigt sich großzügig: Einer der riesigen, mit Flüssiggas (LNG) beladenen Tankschiffe aus den USA durfte während der Fahrt wenden und peilt in den nächsten Tagen Europa an. Im März werden hier weitere, derartige Frachten anlanden, die für das asiatische Inselreich gedacht gewesen wären. Doch Tokio, das an keiner Energieknappheit leidet, folgte dem Ansuchen der USA und gab die Tanker frei.
Denn in Europa fürchtet man, dass Russland dem Kontinent im Zuge der eskalierenden Ukraine-Krise den Gashahn zudrehen könnte.
Die Regierung in Berlin schlägt jetzt schon Alarm und bezeichnet den Stand der deutschen Gasspeicher (nur noch zu 35 % gefüllt) als „besorgniserregend".
Einige Gewinner der Krise gibt es schon jetzt: Staaten, die im großen Stil Flüssiggas liefern – allen voran die USA und Katar. Sie springen ein, wo Russland über seine vertraglichen Verpflichtungen hinaus keine zusätzlichen, aber dennoch dringend benötigten Lieferungen anbietet.
1.043 Schiffe mit LNG an Bord haben die USA im Vorjahr in die Welt geschickt – so viele wie nie zuvor. Bisher peilten sie vorwiegend Asien an. Doch seit Russland bis zu 130.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren ließ, nehmen immer mehr Tanker Kurs auf Europa. Im Jänner sollen bereits die Hälfte aller US-LNG-Schiffe in Europa angelandet sein.
Ein hoher Preis
Für Europa hat das einen gewaltigen Preis: Flüssiggas ist erheblich teurer als das über Pipelines aus Russland kommende Erdgas. Das liegt an seiner aufwendigen Verarbeitung: An speziellen Hafenterminals wird das Gas verflüssigt. Dafür wird es von Schwefel, Stickstoff und Kohlendioxid gereinigt und auf minus 161 Grad Celsius heruntergekühlt. Dadurch verringert sich das Volumen auf ein Sechshundertstel. Dieses „Liquefied Natural Gas“ (LNG) wird mit speziellen Transportschiffen in mittlerweile 36 europäische LNG-Zielhäfen gebracht.
Erst vor fünf Jahren haben die USA mit der Lieferung von LNG begonnen. Dass sie seit Dezember zum weltgrößten LNG-Exporteur aufstiegen und Katar überholten, verdanken sie indirekt Russland.
Denn bisher waren die Kunden in Europa bei LNG eher zögerlich: Zu teuer und technisch zu mühsam – und man vertraute auf den Hauptlieferanten Russland. Doch der Winter ist noch nicht vorbei, die Gasspeicher leeren sich, und Europa muss zugreifen, wo sich Hilfe bietet.
Dass die USA wiederum Russland als Gaslieferanten ausbremsen wollen, ist erklärtes Ziel Washingtons. Aus Sicht der USA würde man davon zweifach profitieren: Der Einfluss Moskaus wird geschwächt – während Milliarden Dollar umgeleitet werden und den USA ein gutes Geschäft einbringen.
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