G-20-Gipfel der "lahmen Enten": Abschiedstournee für Biden, Scholz und Co.
Es ist ein bizarres Bild, das sich vor dem am Montag startenden G20-Gipfel in Rio de Janeiro zeigt: Immer wieder rasen Motorrad-Karawanen mit Blaulicht und Sirene über die Avenida Atlantica und setzen Delegationen im „Hotel Copacabana Palace“ ab.
Auf der anderen Seite der sechsspurigen Straße aber tobt das Nachtleben in den Strandbars. Es wird gesungen, getanzt, geflirtet. Nach Papstbesuch, Fußball-WM und Olympia sind die „Cariocas“, wie die Einwohner Rios genannt werden, Großevents gewohnt und machen einfach weiter, als wäre nichts.
Immerhin zwei freie Tage bringt ihnen das Treffen der 20 wirtschaftsstärksten Nationen der Welt. Ohne Berufsverkehr, so das Kalkül der Gastgebernation Brasilien, können die Delegationen einfacher durch die Riesenmetropole kutschiert werden.
Vielleicht ist das Desinteresse der Brasilianer aber auch deshalb so groß, weil die Erwartungshaltung überschaubar ist. Es ist ein Treffen der lahmen Enten: US-Präsident Joe Biden absolviert in Südamerika seine Abschiedstournee, begonnen hatte sie am Wochenende beim APEC-Gipfel in Peru.
Der Westen wird als belehrend wahrgenommen
Längst diskutieren die Lateinamerikaner, was von einer künftigen Regierung unter Donald Trump und „Latino-Außenminister“ Marco Rubio zu erwarten ist.
Kolumnist Andres Oppenheimer vom Miami Herald vermutet: Rubio wolle eng mit konservativen lateinamerikanischen Präsidenten zusammenarbeiten, vor allem mit Javier Milei in Argentinien und Nayib Bukele in El Salvador. Solche Überlegungen emotionalisieren auf dem Kontinent stärker als Bidens Abschied.
Die Europäer scheinen einmal mehr knapp zu scheitern, wenn es darum geht, den EU-Mercosur-Freihandelsvertrag zu unterzeichnen, der von der Industrie so sehr herbeigesehnt wird. Der sollte, so wünscht es sich Brasiliens Präsident Lula da Silva, in Rio de Janeiro endlich in trockene Tücher gebracht werden.
Doch es scheint, als würden die Franzosen wieder einmal blockieren. Aus Furcht vor der mächtigen und hocheffizienten Agrar-Industrie aus Brasilien. Eine Überraschung ist zwar nicht ausgeschlossen, doch der Unmut über die aus ihrer Sicht zögerlichen und bisweilen auch belehrenden Europäer, die es seit 20 Jahren nicht schaffen, den Vertrag unter Dach und Fach zu bringen, ist bei Südamerikanern groß.
Ausgerechnet jetzt kommt der deutsche Kanzler Olaf Scholz als Repräsentant einer gescheiterten Ampel-Koalition, er wird in Brasilien als Sinnbild der größten kriselnden Volkswirtschaft Europas gesehen.
China nimmt man in Südamerika ernst
Während Europa verhandelt, verzögert und taktiert, bastelt Peking in diesem Teil der Welt an einem konkreten Plan für die Zukunft. Die Woche zuvor hat Chinas Präsident Xi Jinping am Rande des APEC-Gipfels in Peru einen neuen Milliarden-Hafen eingeweiht.
Das Projekt ist nicht auf den schnellen Erfolg angelegt, sondern auf mittelfristige Perspektiven: Der Hafen soll Rohstoffe wie Lithium oder Kupfer direkt nach China bringen, umgekehrt sollen Produkte aus dem Reich der Mitte ankommen. Perus Transportminister Raúl Pérez schwärmt geradezu euphorisch: „Unser Ziel ist es, das Singapur Lateinamerikas zu werden.“
Solche Zukunftsvisionen sind aus Europa schon lange nicht mehr zu hören. Stattdessen kommen Belehrungen, die nicht nur in Brasilien als „Grüner Kolonialismus“ aufgefasst werden.
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