Für Trump ist NATO "obsolet", Brexit "großartig"

Paukenschlag des US-Staatschefs in spe vor Amtsantritt und Brexit-Rede der britischen Premierministerin.

Diesmal nicht Twitter, sondern ein Interview mit der deutschen Bild-Zeitung: Der künftige US-Präsident versteht es stets zu provozieren, in diesem Fall sorgt er aber für massive Sorge in Europa. Denn nach seinen vagen Ankündigungen im Wahlkampf stellte er nun Europa vor vollendete Tatsachen. Er halte die NATO für „obsolet“, sagte er dem Blatt. Das Verteidigungsbündnis habe "Probleme", weil es "erstens vor vielen, vielen Jahren entworfen wurde. Zweitens zahlen die Länder nicht, was sie zahlen müssten." Außerdem sei es "obsolet, weil es sich nicht um den Terrorismus gekümmert hat." Die Aussagen Donald Trumps werden nicht nur in den baltischen Staaten für extreme Verunsicherung sorgen – diese könnten die Expansionsgelüste des russischen Präsidenten Wladimir Putin als Erste zu spüren bekommen –, sondern in ganz Europa. Dessen Leitfigur, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, kritisierte er scharf wegen deren Flüchtlingspolitik: „Katastrophal.“

Die internationalen Reaktionen auf der Interview finden Sie hier.

"Die Leute wollen nicht, dass andere Leute in ihr Land kommen und es zerstören"

„Ich habe große Achtung vor Merkel“, sagte Trump. „Aber ich finde, es war sehr unglücklich, was passiert ist.“ Deutschland habe „all diese Leute“ ins Land gelassen, wo auch immer sie herkamen, sagte Trump. „Sie wissen, dass ich Deutschland liebe, weil mein Vater aus Deutschland stammt, und ich will mich nicht in einer ähnlichen Situation wiederfinden.“ Die USA würden von seinem ersten Amtstag an auf sichere Grenzen setzen. Am Montag nach seiner Amtseinführung am 20. Jänner werde er einen entsprechenden Erlass unterzeichnen, sagte er. „Die Leute wollen nicht, dass andere Leute in ihr Land kommen und es zerstören.“

„Es wird extreme Sicherheitsüberprüfungen geben, es wird nicht so sein wie jetzt“, sagte Trump. Es gehe um Muslime „aus verschiedenen Teilen der Welt, die viele Probleme mit Terrorismus haben“. Auf die Frage, ob die verschärften Regeln auch Auswirkungen auf Einreisende aus EU-Staaten haben werden, erklärte Trump: „Das könnte passieren, aber wir werden sehen.“

Irak-Krieg die schlechteste Entscheidung

Trump bezeichnete den Irak-Krieg als möglicherweise schlechteste Entscheidung in der Geschichte der USA. „Wir haben da etwas entfesselt - das war, wie Steine in ein Bienennest zu schmeißen“, sagte er. „Und nun ist es einer der größten Schlamassel aller Zeiten.“ Trump wiederholte vor dem Hintergrund hoher Flüchtlingszahlen infolge des Syrienkrieges, von den Golfstaaten finanzierte Sicherheitszonen in Syrien seien das Mittel der Wahl gewesen. „Das ganze wäre wesentlich billiger gewesen als das Trauma, das Deutschland jetzt durchmacht.“

Auf die Frage, ob Russlands Eingreifen in den Syrienkrieg gut oder schlecht gewesen sei, sagte Trump: „Nein, das war eine sehr üble Sache, schlimm.“ Die USA hätten aber die Gelegenheit versäumt, sehr früh etwas zu tun. „Es ist zu spät, jetzt ist alles vorbei“, sagte Trump. „Irgendwann wird es ein Ende haben, aber Aleppo war scheußlich.“ Die Stadt sei in einer furchtbaren humanitären Lage.

Trump und Russland

Trump deutete eine Neubewertung der Russland-Sanktionen an. Er stellte dies in einen Zusammenhang mit atomarer Rüstung. „Zum einen finde ich, dass es deutlich weniger Nuklearwaffen geben sollte und sie erheblich reduziert werden müssten, das gehört dazu. Aber da sind diese Sanktionen, und Russland leidet im Moment schwer darunter.“ Er glaube, es könne manches gehen, von dem viele Leute profitierten. Trump bezeichnete Geheimdienstberichte über angeblich erpresserisches Material Russlands gegen ihn erneut als reine Fälschung, als „fake news“. Auf die Frage, wer seiner Ansicht nach dahinter stecke, sagte er: „Ich glaube, es können wahrscheinlich die Nachrichtendienste sein, es könnten die Demokraten sein.“

Die Zukunft des Atomabkommens mit dem Iran ließ Trump offen. Er wolle sich nicht in die Karten schauen lassen. Er sagte aber erneut: „Es ist eines der schlechtesten Abkommen, die je getroffen worden sind. Es ist eines der dümmsten Abkommen, die ich je gesehen habe.“

Schwere Zeiten für deutsche Autofirmen

Auch in wirtschaftlichen Fragen holte Trump in dem Interview zum Rundumschlag gegen Europa aus. Deutschen Autokonzernen drohte er mit Strafzöllen in den USA. Deutschen Autobauern könnten unter Trump in den USA harte Zeiten bevorstehen. Er sagte: „Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen.“ Dem Hersteller BMW, der 2019 eine Fabrik in Mexiko eröffnen will, legte Trump nahe, die Fabrik in den USA zu bauen.
Wenn BMW von Mexiko aus in andere Länder verkaufen wolle, sei das in Ordnung, sagte Trump. „Aber wenn sie in Mexiko eine Fabrik bauen und Autos in die USA verkaufen wollen ohne eine 35-Prozent-Steuer, dann können sie das vergessen.“

Für Trump ist NATO "obsolet", Brexit "großartig"
Unfinished buldings remain in the site of a called off Ford car factory in Villa de Reyes, near San Luis Potosi, Mexico, on January 11, 2017. In a rocky desert of northern Mexico, impoverished villagers fear they may be the first people in the world to suffer the impact of US President-elect Donald Trump's trade crackdown. The $1.6-billion plant was expected to bring thousands of jobs to the impoverished area, but Ford abruptly called off the project this month. / AFP PHOTO / PEDRO PARDO

Brexit "eine großartige Sache"

Die EU sei "ein Mittel zum Zweck für Deuschland" während sich der Brexit "letztlich als eine großartige Sache herausstellen" werde, erklärte Trump, der Großbritannien einen raschen Handelsvertrag mit den USA in Aussicht stellte. Zudem sagte Trump, dass er mit weiteren EU-Austritten rechne.

Der Europäischen Union sagte Trump nach dem Brexit, dem Austritt Großbritanniens, schwere Zeiten voraus. „Wenn Sie mich fragen, es werden weitere Länder austreten.“ Der Zustand der EU sei ihm aber nicht sehr wichtig. „Schauen Sie, zum Teil wurde die Union gegründet, um die USA im Handel zu schlagen, nicht wahr? Also ist es mir ziemlich egal, ob sie getrennt oder vereint ist, für mich spielt es keine Rolle.“

Mays Fahrplan

Am Montag wird Premierministerin Theresa May in einer Grundsatzrede die Leitlinien für den Brexit skizzieren. Und die dürften es in sich haben. Der Sunday Telegraph zitiert einen Regierungsvertreter: „Sie will es voll durchziehen. Die Leute werden dann wissen: Als sie sagte ,Brexit heißt Brexit‘, meinte sie genau dies.“ Laut mehreren übereinstimmenden Berichten britischer Medien wird May zu erkennen geben, dass sie bereit sei, das Land sowohl aus dem europäischen Binnenmarkt als auch aus der Zollunion mit der EU zu führen. Damit wäre der freie Handel von Waren unterbrochen. Auch an die Gesetzgebung des Europäischen Gerichtshofs solle London in Zukunft nicht mehr gebunden sein. Diese Eckpfeiler eines „harten Brexit“ enthalte der Rede-Entwurf, an dem einer der Hauptprotagonisten des Austritt-Referendums, der jetzige Außenminister Boris Johnson maßgeblich mitgearbeitet haben soll. Nur mit dem Ende des Binnenmarktes, so die Überlegung, könne Großbritannien die EU-Personenfreizügigkeit beenden und die Einwanderungspolitik selbst in die Hand nehmen.
Und nur nach der Aufkündigung der Zollunion könne das Land selbst Freihandelsabkommen schließen – May hatte in der Vorwoche angekündigt, mit Neuseeland einen solchen Pakt verhandeln zu wollen. Danach sollen die USA, Indien und andere Staaten laut ihren Wünschen möglichst rasch folgen.

Steuersenkungswettlauf

Die Verantwortlichen in London sind sich aber bewusst über die Folgen eines klaren Schnitts. „Wenn wir keinen Zugang zum EU-Markt haben, dann könnten wir zumindest kurzfristig wirtschaftlichen Schaden erleiden“, sagte Finanzminister Philip Hammond der deutschen Zeitung Welt am Sonntag. Für diesen Fall „würden wir gezwungen sein, unser Wirtschaftsmodell zu ändern.“

Den Kurznachrichtendienst Twitter will Trump auch als Präsident intensiv nutzen. Er finde es sehr akkurat. „Wenn ich etwas öffentlich sage und wenn ich den Zeitungen etwas sage, und sie es nicht akkurat wiedergeben, ist das wirklich schlecht. Sie können dagegen nicht viel ausrichten.“ Wenn er dagegen twittere, sei es sehr exakt und schlage sofort als Nachricht durch. Auch eine Pressekonferenz sei eine Menge Arbeit, und er erreiche nicht annähernd die gleiche Zahl an Leuten. Als Präsident werde er den Account „@TheRealDonaldTrump“ behalten.

Der scheidende Chef des US-Geheimdienstes CIA, John Brennan, hat mit scharfen Worten auf die Geheimdienstschelte des designierten US-Präsidenten Donald Trump reagiert. Brennan legte Trump am Sonntag in einem Interview mit dem Sender Fox News nahe, besser auf seine Worte zu achten. Insbesondere Trumps Umgang mit dem Kurzmitteilungsdienst Twitter stellt aus Sicht Brennans ein Sicherheitsrisiko dar. "Spontaneität ist nicht etwas, das die nationalen Sicherheitsinteressen schützt", sagte Brennan. Zur Sicherheit der USA können Trump besser beitragen, als durch Tweets und Äußerungen. Trump müsse in dieser Hinsicht künftig "sehr diszipliniert" sein.

"In ein paar Tagen wird er der mächtigste Mensch der Welt sein, indem er an der Spitze der US-Regierung steht, und ich meine, er muss sich bewusst werden, dass seine Worte Folgen haben", sagte der scheidende CIA-Chef.

Auch Brennans Kritik löste unverzüglich eine Twitter-Reaktion Trumps aus: "Oh wirklich, sie konnten es nicht schlechter machen - siehe Syrien (rote Linie), Krim, Ukraine und der Aufbau russischer Atomwaffen. Nicht gut! War das der Verbreiter der Fake News?", twitterte Trump in Andeutung einer direkte Rolle Brennans beim Bekanntwerden von Einzelheiten aus dem Bericht.

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