Frauendemo in Minsk: Lukaschenko ließ sogar Passantinnen festnehmen

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Hunderte Frauen gingen trotz der Repressalien auf die Straße - dutzende, darunter auch Journalistinnen, wurden abgeführt. Am Sonntag gehen die Proteste weiter.

Das Szenario ist immer dasselbe: Seit August gehen sie auf die Straße, demonstrieren für Neuwahlen, und werden mit dem langen Arm Lukaschenkos konfrontiert. So auch am Samstag: Trotz eines massiven Polizeieinsatzes haben mehrere Hundert Frauen in Belarus (Weißrussland) gegen die Amtseinführung von Staatschef Alexander Lukaschenko protestiert.

"Schande"

An zentralen Plätzen in der Hauptstadt Minsk kamen sie zusammen, schwenkten die historischen weiß-rot-weißen Landesfahnen und riefen "Schande". In Sprechchören forderten sie den Rücktritt des Staatschefs. Für Sonntag wurden weitere Großdemos erwartet.

In den Straßen standen Polizeitransporter bereit. Bereits unmittelbar nach Beginn der Aktionen kam es zu ersten Festnahmen. Die Frauen hatten mancherorts nicht einmal Zeit, mit ihrem Marsch durch die Straßen von Minsk zu beginnen, wie das Menschenrechtszentrum Wesna mitteilte. Die Proteste in der Ex-Sowjetrepublik dauern seit Mitte August an.

Opposition protests continue in Minsk

Prominente Festgenommene

Die Aktivisten von Wesna sprachen am Nachmittag von rund 60 Festgenommenen, darunter auch Journalistinnen. Zudem wurde die 73 Jahre alte Nina Baginskaja, eine Veteranin der Protestbewegung und eine seit ihrem Kampf gegen die Kommunisten zu Sowjetzeiten bekannte Oppositionelle, festgenommen. Auch zufällig vorbeikommende Passantinnen sollen Aktivisten zufolge einfach abgeführt worden sein.

Lukaschenko hatte sich am Mittwoch nach 26 Jahren an der Macht ohne Vorankündigung zum sechsten Mal im Amt vereidigen lassen. Bei der Abstimmung im August will er mehr als 80 Prozent der Stimmen erreicht haben. Nach der Amtseinführung nahmen die Proteste gegen den als "letzten Diktator Europas" bezeichneten Machthaber in dieser Woche wieder an Fahrt auf.

Belarusian opposition supporters hold a rally in Minsk

Fast acht Wochen dauern die Proteste gegen den belarusischen Staatschef Lukaschenko schon an.

Auf Videos war zu sehen, wie uniformierte Sicherheitskräfte Frauen an Händen und Füßen zu den Bussen schleppten. Auch Musiker in einer Unterführung wurden von Polizisten unter Buhrufen von Passanten in Gewahrsam genommen. Die Behörden hatten gewarnt, dass die Straßenaktionen nicht genehmigt seien. Erlaubt werden nur Kundgebungen von Unterstützern Lukaschenkos, die aber kaum Zulauf haben.

Für den "Marsch der weiblichen Solidarität" sammelten sich die Frauen in mehreren Gruppen. Mit den regelmäßig am Samstag stattfindenden Demonstrationen wollen sie die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja unterstützen, die sie als wahre Siegerin der Wahl vom 9. August ansehen. Die 38-Jährige war von Lukaschenkos Machtapparat zur Ausreise ins benachbarte EU-Land Litauen gedrängt worden. "Unsere Präsidentin ist Sweta", riefen die Frauen in Sprechchören.

"Ihr seid stark und unbesiegbar"

Tichanowskaja betonte in einer Mitteilung, dass sie den Mut der belarussischen Frauen bewundere. Frauen jeden Alters und mit unterschiedlichen Berufen gingen auf die Straßen, obwohl die Einsatzkräfte immer wieder aufs Neue hart durchgreifen würden. "Ihr seid stark und unbesiegbar", sagte Tichanowskaja.

Die Opposition hatte den Marsch auch als "Generalprobe" auf die Großdemonstration am Sonntag angekündigt, bei der die Menschen im ganzen Land die Bürgerrechtlerin symbolisch bei einer "Amtseinführung des Volkes" zur Präsidentin ernennen sollen. "Lasst uns zeigen, wer unsere Präsidentin ist", hieß es. Die Demonstranten fordern Neuwahlen ohne Lukaschenko, die Freilassung aller politischen Gefangenen und die strafrechtliche Verfolgung der Polizeigewalt.

Die Lukaschenko-Gegner hoffen nach der Vereidigung auf noch mehr Zustrom von Demonstranten als an den vergangenen Protesten. An den Wochenenden zuvor nahmen nach Schätzungen im ganzen Land Hunderttausende teil.

Die Sicherheitskräfte gingen zuletzt immer brutaler gegen friedliche Demonstranten vor. Lukaschenko hatte gefordert, bei nicht genehmigten Protesten härter einzuschreiten.

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