Vor fünf Jahren ging die Übergangsregierung von Brigitte Bierlein auf Nummer sicher, wollte mit einem neuen Namen kein Risiko eingehen und stellte den schon in Brüssel agierenden Johannes Hahn wieder auf. Als offenes Geheimnis galt damals: Hätte noch Ex-Kanzler Sebastian Kurz zu diesem Zeitpunkt regiert, hätte wohl Ministerin Karoline Edtstadler im riesigen Berlaymont-Gebäude in Brüssel ihr Büro bezogen.
Auch dieses Mal kam die Europaministerin, der immer Ambitionen auf den Kommissarsposten nachgesagt wurden, nicht zum Zug. Statt dessen nominierte die ÖVP-Grünen-Koalition in Wien nach langem internen Ringen Finanzminister Magnus Brunner. Und nur ihn.
Wiens Hoffnung dabei: Der 52-jährige Vorarlberger soll einen möglichst einflussreichen Posten beziehen - also entweder in den Bereichen Finanzen, Haushalt, Binnenmarkt, Handel und Wettbewerb: Jene Sektoren, wo die Europäische Union am meisten Macht ausübt, sowohl nach innen als auch auch in die ganze Welt hinaus.
Zwar soll Von der Leyen Kanzler Karl Nehammer jüngst bei einem kurzen Wien-Besuch Entgegenkommen signalisiert haben, doch entschieden ist noch lange nichts. Die Konkurrenz um die einflussreichsten Posten in Brüssel ist groß - allein sechs Finanzminister aus EU-Staaten auf der Kandidatenliste - mehr als alle bisherigen Frauennamen insgesamt.
Einen Gleichstand zwischen Frauen und Männern zu erzwingen - diese Möglichkeit hat Von der Leyen nicht.
Eine gesetzliche Vorgabe dafür existiert nicht, die Kommissionschefin könnte allerdings nach Nominierungsschluss einzelne EU-Staaten noch einmal ersuchen, noch zusätzlich eine Kandidatin aufzustellen.
Dann wird das Fell des Bären verteilt - wer erhält welches Ressort? Brunner hat dabei gute Chancen, einen der begehrtesten Bereiche zu ergattern: Brunner ist in Brüssel bereits gut bekannt, er gilt als hart in der Sache - etwa in der Ablehnung von Euro-Bonds - aber umgänglich und kompromissfähig. Als Finanzminister ist er in den in Brüssel immer auf dem Tisch liegenden Themen Kapitalmarktunion, Haushalt und Defizitverfahren bestens daheim.
Wie geht es weiter?
Ab Ende September müssen sich die Kommissarinnen und Kommissare dem "grilling" im EU-Parlament stellen. Dabei werden die Kandidaten auf ihre sachliche Qualifikation abgeklopft. Immer wieder hat das EU-Parlament dabei potenzielle Kandidaten aus dem Rennen geschossen -zuweilen geschah dies auch als eine Art Ohrfeige gegen die Regierung des Nominierten.
So etwa erging es der - fachlich durchaus qualifizierten Französin Sylvie Goulard - der das EU-Parlament die Rote Karte zeigte. Diese galt eigentlich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der damals auf eigene Faust Ursula von der Leyen als Kommissionschefin "erfunden" hatte.
Dieses Mal, so ist hinter den Kulissen zu hören, könnte das oft widerspenstige EU-Parlament sich gegen Oliver Varhelyi einschießen - als eine Art Ohrfeige für den der EU auf der Nase herum tanzenden ungarischen Premier Viktor Orban.
Doch selbst die allerhärtesten Befragungen im EU-Parlament werden nichts mehr daran ändern: Von einer zahlenmäßigen Gleichstellung von Männer und Frauen in der mächtigsten Behörde Europas ist die neue Kommission weiter entfernt als die alte.
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