Frankreichs "Gelbwesten": Ratlosigkeit im Kreis um Macron

Emmanuel Macron bei einer Pressekonferenz mit gefalteten Händen vor dem Gesicht.
Die Regierung macht immer neue Zugeständnisse – aber die „Gelbwesten“ wollen noch mehr

„Der Hunger kommt beim Essen“, lautet ein französisches Sprichwort, und das gilt auch für die „ Gelbwesten“. Die ursprünglich gegen eine Erhöhung der Gebühren auf Sprit entstandene Massenbewegung der einkommensschwachen Provinzbewohner beharrt inzwischen auf einer Serie von Anliegen rund um Einkommens- und Steuergerechtigkeit. Sie hat dabei auch ihre kollektive Kraft entdeckt. Während die Staatsführung um Präsident Emmanuel Macron einstweilen vergeblich von einem Zugeständnis zum anderen wankt.

Der neueste Rückzieher: Die für Jänner 2019 anberaumten Gebührenerhöhungen auf Treibstoff werden jetzt für ein ganzes Jahr annulliert. Noch am Dienstag hatte Premier Edouard Philippe nur das Einfrieren dieser Gebühren nur für sechs Monate angekündigt. Allein dieses Zugeständnis reißt ein Loch von vier Milliarden Euro in das geplante Budget, wodurch der Schuldenabbau Frankreichs, der mit der EU vereinbart wurde, wackelt.

Das ist aber nicht alles. In der Panik, die Regierungskreise erfasst hat, wanken bisher als unumstößlich geltende Eckpfeiler des marktfreundlichen Kurses von Macron. So wird von Ministern laut über Wiedereinführung der „Großvermögenssteuer“ (ab 1,3 Millionen Euro) nachgedacht. Diese Steuer, die dem Staat jährlich 4,2 Milliarden einbrachte, hatte Macron teilweise abschaffen lassen, um Investoren zum Verbleib in Frankreich zu bewegen.

Zwei Männer in Warnwesten halten eine französische Flagge, einer trägt eine Weihnachtsmütze.

"Gelbwesten" tauschen sich über Notlagen aus

Austausch über Notlagen

Viele „Gelbwesten“ dringen aber nun auf eine Erhöhung des staatlich fixierten monatlichen Mindestlohns (derzeit 1185 Euro netto) und der Renten, wenn sie nicht gleich den Rücktritt von Macron fordern. Angetrieben wird das durch die Diskussionen an den Straßen-Blockaden, wo sich „Gelbwesten“ über ihre jeweiligen Notlagen austauschen: prekäre Anstellungsverhältnisse, Einschränkung ihrer Ausgaben sogar bei Grundnahrungsmitteln, Überschuldung, Räumungsklagen. Die Regierung versucht deswegen die Unternehmer zu Lohnerhöhungen und Prämien-Ausschüttungen zu bewegen. Diese Prämien waren bisher steuerpflichtig und sind es ab sofort nicht mehr.

Es ist die Angst vor einer „unkontrollierbaren Situation“ (so der Premier), die die Staatsführung umtreibt. In der Provinz stehen Parlamentarier der Partei von Macron unter Polizeischutz, weil sie bedroht werden. Parteilokale wurden zugemauert. Einige Abgeordnete wurden vor ihren Wohnungen abgepasst und beschimpft, vermummte Demonstranten drangen in die Gärten ihrer Häuser ein. 

Gepanzerte Fahrzeuge

Die meiste Sorge bereitet aber der neuerliche Aufmarsch der „Gelbwesten“, der diesen Samstag wieder im Zentrum von Paris, im Bereich der Prunkavenue der Champs-Elysées, vorgesehen ist. Die bisher allzu lose organisierten „Gelbwesten“ haben zwar erstmals einen eigenen Ordnerdienst angekündigt. Und die Polizei will mobile Eingreiftrupps aufbieten, die Gewalttäter aus der Menge herausholen sollen. Aber das hat sich schon bisher als schwer erwiesen. Die Gendarmerie wird auch erstmals gepanzerte Fahrzeuge in Stellung bringen.

Private Security-Firmen waren noch nie so gefragt: im Schnitt verdoppelten sich in den letzten Tagen ihre Aufträge zum Schutz von Geschäften sowohl in Paris als auch in Provinzstädten, wo es vorigen Samstag ebenfalls zu Plünderungen gekommen war.

Dazu kommen neue Konfliktherde. Vorgeblich aus Ablehnung einer Matura-Reform (über die noch gar keine Gewissheit besteht) wurden hunderte Gymnasien blockiert. Es ist eine Mischung aus Jugendklamauk, halb verdauter Parolen linker Aktivisten und Nachahmungstrieb gegenüber den „Gelbwesten“, die Schüler in chaotische Aufmärsche treibt. Mülleimer werden angezündet – in Toulouse sprang das Feuer auf die neue Fassade eines Gymnasiums über.

Die anrückende Polizei, die der Feuerwehr den Weg ebnen muss, setzt oft so genannte Flash-Balls ein. Durch diese Hartgummi-Geschosse wurden bereits zwei Gymnasiasten schwer verletzt. In einem Pariser Vorort gerieten Professoren und Eltern mitten in die Zusammenstöße mit der Polizei.    

Außerdem wollen Bauern, die die Trockenheit in den Ruin treibt, gegen Steuern demonstrieren. Gewerkschaften haben Fernfahrer zu einem unbefristeten Streik und Blockaden ab Sonntagabend aufgerufen, es geht um Überstunden-Zuschläge.

Eine Person mit Guy-Fawkes-Maske und gelber Weste steht vor einem brennenden Barrikade.

Eine Person mit Gasmaske und französischer Flagge steht im Rauch.

Zwei ausgebrannte Autos stehen auf einer Straße, während ein Feuerwehrauto im Hintergrund zu sehen ist.

Auf einer Straße liegen Trümmer und ein umgestürzter Mülleimer.

Ein ausgebrannter Lieferwagen steht nachts auf einer Straße in der Stadt.

Ein Feuerwehrmann steht vor brennenden Autos in einer Straße.

Auf einer Straße in Paris liegen Trümmer und Barrikaden.

Eine Menschenmenge in gelben Westen demonstriert vor dem Arc de Triomphe in Paris.

In Paris demonstrieren Menschen in gelben Westen inmitten von Rauch und Barrikaden.

Ein Demonstrant mit Gasmaske und gelber Weste vor dem Arc de Triomphe in Paris.

Mehrere Demonstranten in gelben Westen inmitten von Rauch auf einer Straße.

Ein Demonstrant wirft inmitten von Tränengas einen Gegenstand auf Polizisten.

Auf einer Straße liegen Trümmerteile; im Hintergrund demonstrieren Menschen in gelben Westen.

Eine Person in Sicherheitsweste beobachtet ein brennendes Objekt.

Eine Reihe von Polizisten in Schutzausrüstung und mit Farbflecken bedeckten Schilden geht vorwärts.

Ein Demonstrant in Frankreich zielt mit einer Schleuder, während andere Demonstranten im Hintergrund stehen.

Polizisten in Schutzausrüstung stehen im Rauch, während Demonstranten im Hintergrund zu sehen sind.

Auf einer regnerischen Straße stehen Personen in Warnwesten vor Wasserwerfern.

Vor dem Arc de Triomphe in Paris demonstrieren Menschen mit bretonischen Flaggen und gelben Westen.

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