Frankreich: Sturm gegen die Windkraft-Revolution

Frankreich: Sturm gegen die Windkraft-Revolution
Obwohl das Land großes Potenzial für erneuerbare Energien hat, verläuft deren Ausbau nur schleppend. Die Gründe sind ideologisch, sagt ein Experte.

Jean-Michel Jarasse glaubt, dass sein kleines Paradies der Ruhe bedroht ist. Er lebt im Örtchen Lamazière-Haute im Departement Corrèze, einem ländlichen Gebiet im Südwesten Frankreichs mit viel unberührter Natur. Doch der Blick aus seinem Haus wird sich bald verändern auf eine Weise, die ihm gar nicht gefällt.

Zu Jahresbeginn kündigte der neue Präfekt der Corrèze, Étienne Desplanques, zwei neue Windpark-Projekte in der Gegend an. Er bekomme dadurch drei Windräder vor die Nase gesetzt, klagte Jarasse gegenüber lokalen Medien: „Drei Maschinen mit einer Höhe von 180 Metern auf dem Hügel genau gegenüber! Natürlich bin ich wütend.“ Der Widerstand einiger Bürger und Landwirte hat nichts genützt. Im Gegenteil, Desplanques kündigte zwei weitere Windkraftanlagen in der Corrèze an, in der bislang nur eine einzige steht. „Es erscheint legitim, dass unser Departement so wie die anderen auch seinen Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen leistet“, sagte der Präfekt.

Mit seinen langen Küsten, den weiten Flächen, viel Wald, Wind und Sonne hat Frankreich ein hohes Potenzial für erneuerbare Energien – eigentlich. Doch tatsächlich war es 2020 das einzige EU-Land, das seine Ziele verfehlte, da die Erneuerbaren nur 19 statt der anvisierten 23 Prozent im Gesamt-Energieverbrauch betrugen. Wasserkraft und Biomasse sind relativ gut ausgebaut, nicht aber die Solar- und die Windenergie. Derzeit zählt es derzeit rund 8000 Windräder, gegenüber fast 30.000 im flächenmäßig kleineren Deutschland. In Österreich waren zu Jahresbeginn 1374 Anlagen in Betrieb.

Die Gründe für das schleppende Vorankommen der Windkraft in Frankreich sind überwiegend politische, sagt der Deutsche Andreas Rüdinger, Experte für die Energiewende beim französischen Thinktank IDDRI. Er bedauert die von den Parteien aufgebaute Polarisierung zwischen Atomkraft und Erneuerbaren. „Es wurde ein ideologischer Marker daraus gemacht: Wenn ich rechts stehe, muss ich gegen Windkraft und für Atomenergie sein.“

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