Frankreichs Regierung vor Aus: Warum der Premier heute gestürzt werden dürfte

Frankreichs Regierung vor Aus: Warum der Premier heute gestürzt werden dürfte
Der schwer unter Druck geratene Präsident Emmanuel Macron sucht offenbar schon nach einem Nachfolger für Barnier.

Als kampferprobten und zugleich konsensfähigen „Mann des Dialogs“ hatte Michel Barnier sich selbst präsentiert, als er vor drei Monaten zum französischen Premierminister ernannt wurde. Der ehemalige EU-Kommissar und Brexit-Unterhändler galt als einer der Wenigen, der angesichts der zersplitterten Nationalversammlung ohne klare Mehrheiten eine Chance hatte zu regieren, ohne sofort von der Opposition gestürzt zu werden.

Er „respektiere alle im Parlament vertretenen Parteien“, hatte der Konservative versichert und den Rassemblement National (RN) explizit mit eingeschlossen. Der rechtsextremen Partei und speziell deren Frontfrau Marine Le Pen kommt eine Schlüsselrolle zu, da die Linksparteien - der größte Block - in Frontalopposition zur Minderheitsregierung aus Zentristen und Republikanern stehen.

Wohl Regierungschef mit der kürzesten Amtsdauer

Doch all die Charme-Offensiven und konkreten Zugeständnisse haben wohl nichts genützt. Aller Voraussicht nach wird Barnier am heutigen Mittwoch durch einen Misstrauensantrag der Linken, dem sich der RN anschließen will, gestürzt. Er dürfte in die französische Geschichte als Regierungschef mit der kürzesten Amtsdauer eingehen - es wäre ein unrühmliches politisches Karriere-Ende für den 73-Jährigen. Von Präsident Emmanuel Macron heißt es, er habe bereits mit der Suche nach einem neuen Premierminister begonnen. Einfach dürfte die Aufgabe nicht werden.

Provoziert hat die Krise Barniers erstes Projekt, das Haushaltsgesetz für 2025. Angesichts der hohen Verschuldung Frankreichs von 3,2 Billionen Euro handelte es sich um einen Sparhaushalt mit Steuererhöhungen und massiven Ausgabenkürzungen. Bis zuletzt war Barnier Le Pen in mehreren Punkten entgegen gekommen, verzichtete etwa auf die geplanten Erhöhungen der Stromsteuern sowie der Eigenbeteiligung an verschreibungspflichtigen Medikamenten. Letztlich aber senkte sie den Daumen nach unten: Sie wollte die Menschen im Land vor einem „gefährlichen, ungerechten Haushaltsgesetz beschützen“, lautete ihre Begründung.

Angesichts der fehlenden Unterstützung in der Nationalversammlung setzte Barnier für den ersten von drei Teilen des Haushaltsgesetzes den Sonderartikel 49.3 ein, um ihn ohne Votum zu beschließen. „Die Französinnen und Franzosen erwarten Stabilität“, erklärte er. In einem Fernseh-Interview hatte der Regierungschef zuvor eindrücklich vor einem „Gewittersturm“ und „schweren Turbulenzen auf den Finanzmärkten“ gewarnt, sollte das Haushaltsgesetz nicht durchkommen. 

Mit diesem soll die Neuverschuldung 2025 von gut sechs auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden. Wird dies nicht umgesetzt, droht sich Frankreichs Finanzlage zu verschärfen. Das Land zahlt inzwischen höhere Schuldzinsen als Griechenland. „Nicht das Budget wird zensiert, sondern das Land in Gefahr gebracht“, warnte Wirtschaftsminister Antoine Armand.

"Le Pens Gnaden"

Beobachtern zufolge besteht Le Pens Kalkül darin, dass nicht sie für das drohende politische und wirtschaftliche Chaos verantwortlich gemacht wird, sondern die Regierung - und in erster Linie der Präsident, der im Sommer überraschend vorgezogene Parlamentswahlen ausgerufen und nach langem Zögern Barnier als Regierungschef eingesetzt hatte. Dieser galt von Anfang an als Premierminister „von Le Pens Gnaden“.

Zeigte sie sich zunächst gesprächsbereit, so trat sie mit neuer Härte auf, seit die Staatsanwaltschaft im Prozess wegen Veruntreuung von EU-Geldern gegen sie und weitere Parteifreunde den Entzug des passiven Wahlrechts mit sofortiger Wirkung gefordert hat; in dem Fall dürfte sie bei den nächsten Wahlen nicht kandidieren. Das Urteil fällt am 31. März. 

Also könnte sie versuchen, Macron rasch zu Fall zu bringen und vorgezogene Präsidentschaftswahlen zu provozieren. Einer Umfrage zufolge wünschen sich 53 Prozent der Franzosen den Sturz von des Premierministers und 62 Prozent jenen des Präsidenten. Diesem bleiben nur noch wenige Optionen, etwa der Einsatz einer Regierung aus Technokraten ohne politisches Profil nach dem Vorbild Italiens. Die Nationalversammlung kann er erst nach mindestens einem Jahr erneut auflösen, also frühestens im Sommer.

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