Neue Regierung in Frankreich: "Heute wurde die Demokratie erniedrigt"

Neue Regierung in Frankreich: "Heute wurde die Demokratie erniedrigt"
Die neue Mitte-rechts-Regierung Frankreichs stößt vor allem bei den Linken auf großen Widerstand – ihre Position bleibt fragil.

Kaum war die Besetzung des künftigen französischen Kabinetts am Samstagabend veröffentlicht, hagelte es schon heftige Kritik.

"Man versprach uns eine Regierung der Einigung, bekommen haben wir eine stramm rechte Regierung", reagierte Lucie Castets, Kandidatin des Links-Bündnisses "Neue Volksfront" für das Amt der Regierungschefin. „Heute wurde die Demokratie erniedrigt.“

Der Anführer der Linkspartei LFI, Jean-Luc Mélenchon, forderte, sich der Regierung „so schnell wie möglich zu entledigen“. Seine Partei strengt ein Verfahren an, um Präsident Emmanuel Macron des Amts entheben zu lassen. Dessen Erfolgschancen gelten allerdings als sehr gering.

Neue Mitte-rechts-Regierung in Frankreich

Doch kritisiert wird von vielen, dass ausgerechnet die Parteien, die bei den Parlamentswahlen im Juli Einbußen erlitten, die neue Mitte-rechts-Regierung stellen, nämlich jene des Macron-Lagers und der Republikaner. 

Außen vor bleiben die linken und grünen Parteien der „Neuen Volksfront“, die am meisten Sitze gewannen. Noch vor der Bekanntgabe der neuen Zusammensetzung des Kabinetts waren Tausende Menschen in Frankreich dem Protestaufruf von LFI gefolgt.

Und Marine Le Pen?

Unruhe gibt es aber auch in Macrons eigener Partei Renaissance. Die Abgeordnete Sophie Errante kündigte ihren Austritt aus der Fraktion in der Nationalversammlung an. „Es ist uns nicht gelungen, eine andere Politik zu machen, dabei war das für mich genau der Grund, mich 2017 in der Partei zu engagieren“, begründete sie ihren Schritt.

Auch die Fraktionschefin des rechtsextremen Rassemblement National, Marine Le Pen, kritisierte, Barniers Mannschaft sei „weit entfernt vom Wunsch nach einem Wandel und Regierungswechsel“, den die Menschen im Land empfänden. Allerdings war Le Pen es, die grünes Licht für Barniers Ernennung gegeben hatte. Im Gegensatz zu anderen möglichen Kandidaten für das Amt des Premierministers versprach sie im Fall des „dialogbereiten“ ehemaligen EU-Kommissars und Brexit-Chefunterhändlers, diesen nicht sofort zu stürzen. 
„Paradoxerweise hat der RN kein großes Interesse, diese zu Fall zu bringen“, sagt der Politikwissenschaftler Benjamin Morel. „Marine Le Pen ist strategisch in einer sehr günstigen Position.“ 

Verhalte sich ihre Partei bei der bald anstehenden Abstimmung über das Budget 2025 kooperativ, könne sie sich als verantwortungsbewusste politische Kraft darstellen und zugleich eigene Wünsche durchsetzen – Barnier wäre quasi erpressbar. 

Die Verhandlungen über den Haushalt werden die erste große Hürde für den neuen Premier. Angesichts der hohen Staatsverschuldung von 110 Prozent der Wirtschaftsleistung stehen massive Einsparungen an.

Macrons Lager in fragiler Position

Da Macrons Lager und den Republikanern eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung fehlt, ist ihre Position fragil. Sollte Le Pen sich dazu entschließen, sich einem Misstrauensantrag der Linken anzuschließen, könnte die Regierung stürzen. Eine erneute Auflösung der Nationalversammlung erlaubt die Verfassung frühestens nach einem Jahr, im Sommer 2025. 

Für diesen Fall würde sich auch die Frage nach einem vorzeitigen Rücktritt von Macron persönlich stellen. Etliche Aspiranten für seine Nachfolge, von seinen früheren Premierministern Édouard Philippe und Gabriel Attal bis zum Ex-Innenminister Gérald Darmanin, bringen sich bereits in Stellung. 

Keine dieser Persönlichkeiten findet sich nun in der neuen Regierung wieder. „Vermieden wurden politische Schwergewichte, die den Premierminister in den Schatten gestellt oder ihm aufgezeigt hätten, dass sie die wahren Chefs sind“, analysierte Politikwissenschaftler Benjamin Morel.

Am 1. Oktober wird die Regierungserklärung Barniers erwartet, in der er seine großen Linien darstellen wird. Doch was er wirklich umsetzen kann, bleibt ungewiss.

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