Frankreich: Die Schleierfrage zerriss die Linke

Im Klassenzimmer ist das Kopftuch verboten.

Kopftuchtragen ist kein Menschenrecht: Das hat diese Woche erneut der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt. Christiane Ebrahimian, eine französische Spitalsangestellte, hatte ebendort angefochten, dass ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde, weil sie sich weigerte, das Kopftuch am Arbeitsplatz abzulegen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Donnerstag ihre Beschwerde mit Hinweis auf die Trennung von Kirche und Staat im öffentlichen Dienst zurückgewiesen.

In Frankreich herrscht seit 2004 Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Ein Kopftuch im Klassenzimmer ist unvorstellbar – ein Kreuz an der Wand allerdings ebenso.

Die Einführung des Verbots wurde damals diskutiert, fand letztlich aber auch unter französischen Linken mehrheitlich Beifall: Wenn den Franzosen etwas heilig ist, dann ist es eben die Trennung von Kirche und Staat, Religion ist Privatsache.

1989 berichteten französische Medien zum ersten Mal von Mädchen, die mit Tschador, also einem Umhang, der nur das Gesicht frei lässt, in der Schule auftauchten. Damals begannen heftige Debatten und für viele Linke stellte sich die Gewissensfrage: Was ist uns wichtiger– Laizität oder Religionsfreiheit und damit die Freiheit, sich zu dieser auch öffentlich zu bekennen? Die Schleierfrage zerriss Frankreichs Linke förmlich.

Seit 2011 gibt es außerdem ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit. Frankreichbesucher werden in der Pariser Innenstadt tatsächlich keine vollverschleierten Frauen sehen.

Anders ist das in den Außenbezirken. Die linke Tageszeitung Marianne veröffentlichte vor zwei Wochen einen Bericht des algerischstämmigen Universitätsprofessors Fewzi Benhabib, der vor 21 Jahren nach Saint-Denis im Norden von Paris kam.

Ende von Multi-Kulti

Er flüchtete damals vor den algerischen Islamisten hierher, in eine "tolerante, multikulturelle Stadt". Heute habe Saint-Denis nichts mehr mit der Stadt von damals zu tun. Hier habe sich eine "fortschrittsfeindliche Parallelgesellschaft entwickelt ... Verschleierte Frauen sind hier eine Alltäglichkeit."

Frankreich hat weitreichende Gesetzte, manchen gehen sich nicht weit genug. Am Tag nach den Attentaten wurde einer Frau, die Kopftuch trug, der Einlass in eine Filiale der Textilkette Zara verwehrt. Die Firma entschuldigte sich, der diensthabende Sicherheitsmann wurde entlassen. Die Polemik in den sozialen Medien uferte aus – in alle Richtungen.

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