Die Regierung rief den nationalen Notstand aus – und beziffert den Schaden für die pakistanische Wirtschaft auf mehr als zehn Milliarden US-Dollar. Tausende Kilometer an Straßen seien schlicht „weggespült“ worden, ganze Landstriche landwirtschaftlicher Flächen „wertlos“ geworden, so Sharif. Es seien Weizenimporte notwendig, um eine Nahrungsmittelkrise im Land abzuwenden.
Flucht auf die Dämme
Die Jahrhundert-Flut trifft das Land zur Unzeit, die Staatskassen sind leer. Erst vor zwei Monaten stand Pakistan kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Regierung bat deshalb andere Staaten um Hilfe. „Es gibt keinen günstigen Moment für so eine Katastrophe, aber das war der denkbar ungünstigste“, sagt Andreas Zinggl, Caritas-Projektreferent für Pakistan, zum KURIER.
Jene, die ihr Haus aus Angst vor den Fluten verlassen mussten, zieht es auf die vielen hohen Dämme, welche normalerweise die Wasserversorgung in Pakistan sicherstellen. „Die meisten haben dort nur das Allernötigste mit und schlafen auf sporadisch aufgebauten Betten, die nebeneinander aufgereiht sind“, so Zinggl. Nationale und internationale Hilfsorganisationen versuchen, die Millionen Vertriebenen im Land mit Nahrung, Medizin und Zelten zu versorgen.
„Das wichtigste ist, dass diese Menschen irgendein Dach über dem Kopf haben“, so Zinggl. „Erst wenn die Monsunphase endet, können wir uns darum kümmern, dass die Lebensgrundlage wiederhergestellt wird, also Häuser und Schulen wieder aufgebaut werden.“
"Selbst, wenn der Regen morgen aufhört..."
Normalerweise endet die Monsunzeit in Pakistan Ende September. Bis dahin dürfte die Zahl der Flüchtlinge ebenso steigen wie jene der Toten. Doch Zinggl zufolge dürfte die Katastrophe noch länger dauern: „Die Wassermassen, die wir jetzt im Norden und Westen des Landes erleben, fließen alle in Richtung Süden. Selbst, wenn der Regen morgen aufhören würde, wird der Wasserspiegel im Flachland noch wochenlang steigen.“
Ursache für die Rekord-Flut waren die hohen Temperaturen zuvor: Sie führten dazu, dass die Gletscher im Land stärker schmolzen, die Flüsse also mehr Wasser führen als normalerweise. Dazu der Boden, der über Monate austrocknete und somit weniger Wasser aufnehmen konnte. Und zu guter Letzt die enormen Regenmengen, bedingt durch die verstärkte Verdunstung des Wassers in der Hitzeperiode. Infolge der Erderwärmung ist also in Zukunft öfter mit solchen Katastrophen zu rechnen.
„Die Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel ist real, mächtig und sie starrt uns ins Gesicht“, sagte deshalb auch Premier Sharif. Und klagte: „Wir leiden darunter, aber es ist überhaupt nicht unsere Schuld.“ Pakistan zählt zu den Staaten, die am stärksten von den Auswirkungen der Klima-Krise betroffen sind – in einem Ranking der NGO Germanwatch belegt das Land den achten Platz. Beim CO2-Ausstoß pro Kopf landet Pakistan dagegen am unteren Ende der Tabelle.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres sicherte dem Staat bereits Hilfe zu und will kommende Woche nach Pakistan reisen. Um den Hilfsplan der Vereinten Nationen umsetzen zu können, sind aber noch rund 160 Millionen Euro notwendig. Kritikern zufolge sei das zu wenig. Zinggl sieht das anders: „Im Moment ist das eine Riesenhilfe, den Menschen muss sofort geholfen werden. Da ist es besser, es steht schnell etwas weniger Geld zur Verfügung als in drei Jahren das Doppelte.“
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