Flüchtlinge: Kurz nimmt Polen und Ungarn in Schutz

Kurz: "Positiv ist das Bewusstsein, dass es sich um ein gobales Problem handelt."
Die UN-Generalversammlung diese Woche steht ganz im Zeichen der Flüchtlingsproblematik. Die Erwartungen, eine baldige Lösung zu finden, sind gering.

Der New York-Besuch von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) steht voll und ganz im Zeichen der Flüchtlingskrise. In den kommenden zwei Tagen steht den beiden Politikern ein wahrer Sitzungsmarathon bevor. Heute, Montag, nehmen beide am historischen UN-Flüchtlingsgipfel teil, der sich vor allem der Frage widmen soll, wie die Lage in den Herkunftsländern verbessert werden kann, um so die Flüchtlingsströme in den Griff zu bekommen.

Am Montagabend wollte Kurz die Füchtlingsproblematik und andere Themenkreise noch im Rahmen eines "Westbalkangipfels" in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der UNO in New York auch mit den Außenministern aus Albanien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina oder Serbien besprechen. Das Treffen verstehe sich als ein "Follow-up" der umstrittenen Westbalkankonferenz vom Februar 2016, deren Ergebnisse dafür kritisiert wurden, einer gesamteuropäischen Lösung für die Flüchtlingssituation entgegenzuwirken. Gerade angesichts der Diskussionen um den "Brexit" und das Verhältnis der EU zur Türkei dürften diese Länder ihre "europäische Perspektive" nicht verlieren, sagte Kurz zu den Zielen des Treffens.

Erwartungen an UNO-Gipfel gering

Flüchtlinge: Kurz nimmt Polen und Ungarn in Schutz
ABD0004_20160919 - NEW YORK - UNO: ZU APA0323 VOM 18.9.2016 - (v.l.) Bundeskanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz am Montag, 19. September 2016, im Rahmen der UNO-Generalversammlung in New York. - FOTO: APA/BKA/ANDY WENZEL - ++ WIR WEISEN AUSDRÜCKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GRÜNDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEFÜHRTEN ZWECK UND REDAKTIONELL ERFOLGEN DARF - VOLLSTÄNDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND ++

Indes sind die Erwartungen in den UNO-Flüchtlingsgipfel gering, stehen die Ergebnisse doch bereits in der „New Yorker Erklärung“ – einem 22-seitigen Papier, über das heute abgestimmt werden soll – festgeschrieben. Kurz fasste es so zusammen: "Positiv ist das Bewusstsein, dass es sich um ein globales Problem handelt." Es sei wichtig, bei dem "Summit" im UN-Hauptquartier am New Yorker East River aufzuzeigen, dass alle Staaten dieser Welt eine Verantwortung tragen würden, betonte der Außenminister, "dass man die betroffenen Ländern nicht allein lassen darf". Egal, ob es sich nun um Herkunfts-, Transit- oder Zielländer handle. "Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass der Flüchtlingsgipfel eine Lösung bringen wird." Die Erklärung sieht jedoch vor, dass bis 2018 ein "Globaler Pakt für Flüchtlinge" erarbeitet werden soll. Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) kritisierten das Papier indes als „reich an Gemeinplätzen und Prinzipien und arm an konkreten Details und politischen Strategien“.

Aus europäischer Sicht müsse der Versuch im Vordergrund stehen, den Zustrom von Flüchtlingen und anderen Migranten zu stoppen, gleichzeitig aber die humanitäre Hilfe auszubauen und die legalen Wege für Migration zu stärken, so Kurz im Gespräch mit Journalisten. Der ÖVP-Politiker wiederholte seine Forderung nach mehr Hilfe an Ort und Stelle. "Mit demselben Geld, das ein Flüchtling Österreich kostet, kann im Libanon 20 von ihnen geholfen werden und in Afrika noch vielen mehr."

Kurz nimmt Polen und Ungarn in Schutz

Das Wiener Außenamt habe daher sein Budget für humanitäre Hilfe von 5 auf 20 Millionen Euro vervierfacht, jenes für die Entwicklungszusammenarbeit soll bis 2021 von 77 auf 154 Millionen verdoppelt werden. Bei seiner für den Vormittag angesetzten Rede im Rahmen des Flüchtlingsgipfels wollte Kurz auch darauf aufmerksam machen, welche Lasten Österreich auf diesem Gebiet schon geschultert habe. Laut dem der APA vorliegenden Redetext geißelte der 30-Jährige aber auch die "Politik der offenen Tür", die mehr und mehr Menschen im Vorjahr ermutigt habe, ihre gefährlichen Reisen über das Mittelmeer in Angriff zu nehmen. Ein wichtiger zusätzlicher Antrieb für diese Massenbewegungen sei das Öffnen der Grenzen gewesen, wodurch die Flüchtlinge und Migranten "in das Herz Europa hineingewunken wurden", so Kurz.

Trotz des im Schlusspapier geforderten Prinzips der geteilten Verantwortung wies Kurz die Kritik an Ländern wie Polen oder Ungarn, die sich weigern, die von der EU vereinbarten Aufnahmequoten für Flüchtlinge zu erfüllen, zurück. Es sei ein Fehler, zu glauben, dass mit der Verteilung die Flüchtlingsfrage gelöst werden könne, bekräftigte der Außenminister seine bereits bekannte Position. Eine Lösung scheitere nicht an diesen osteuropäischen Staaten. "Wichtig ist es, den Zustrom zu reduzieren." Zudem hätten Länder wie Rumänien Unterkünfte für Flüchtlinge geschaffen, doch diese wollten gar nicht dorthin ziehen. "Es ist schon schwierig genug, Flüchtlinge in Ländern zu integrieren, in die sie hineinwollen. Umso schwieriger ist es, sie dort zu integrieren, wo sie nicht hinwollen.

Kleiner Gipfel am Dienstag

Konkretere Ergebnisse werden beim kleineren Gipfel am Dienstag erwartet, wenn US-Präsident Barack Obama 45 Staats- und Regierungschef im Rahmen der UN-Generalversammlung einlädt, konkrete Lösungen zu finden, wie flüchtenden Menschen auf der ganzen Welt geholfen werden kann. Auch Bundeskanzler Christian Kern ist unter den geladenen Gästen. In einer Aussendung des Weißen Hauses heißt es, dass der Gipfel zum Ziel hat, die finanzielle Hilfe für Flüchtlinge weltweit um 30 Prozent zu erhöhen, mehr Flüchtlingen eine neue Heimat zu bieten und den Zugang zu Bildung und Arbeit zu erleichtern.

Für Caritas-Präsident Karl Landau ist klar, dass "kein Land der Welt Herausforderungen durch Migrations- und Fluchtbewegungen alleine bewältigen kann". Im heute in New York beginnenden UN-Flüchtlingsgipfel sieht Landau die Chance, dass die "gesamte Staatengemeinschaft die Menschenrechte von Menschen auf der Flucht und Migranten anerkennt", heißt es am Montag in einer Aussendung.

Zusammetreffen sei Gelegenheit

Im Gegensatz zu Amnesty International, die den Gipfel schon im Vorfeld als zum "Scheitern verurteilt" bezeichneten, sieht Landau in dem Zusammentreffen eine Gelegenheit dafür, die Migrationsbewegungen zu organisieren. Denn "die Menschheit ist durch Migration zu dem geworden, was sie heute ist." Und es sei "Chance und zugleich Auftrag des 21. Jahrhunderts diese Wanderungsbewegungen zu gestalten", kommentiert Landau die Aussichten auf das Gipfeltreffen.

"Bereits ein Erfolg" ist für Richard Pichler, den Geschäftsführer des SOS-Kinderdorfes, die Tatsache, dass der Entwurf der Erklärung zu Flucht und Migration festhalte, dass unbegleitete Minderjährige besonderen Schutz erhalten. Dennoch kritisierte er, dass in dem Dokument noch immer die Internierung von Flüchtlingskindern "als letztes Mittel" vorgesehen sei. "Das widerspricht dem elementaren Grundsatz der UN-Kinderrechtskonvention, dass alle Kinder die gleichen Rechte haben, unabhängig von ihrem Asyl- und Migrationsstatus", betonte Pichler laut Aussendung.

Migration sei kein "Problem sondern ein Prozess"

Für den Generaldirektor der Internationalen Organisation für Migration (IOM), William Lacy Swing, ist Migration "kein Problem, für das man eine Lösung finden muss", sondern vielmehr "ein Prozess, der - wenn er verantwortungsvoll und menschenwürdig gestaltet wird - Vorteile für alle bringen kann". Das könne allerdings nur erreicht werden, wenn "Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung aktiv und vehement bekämpft werden", schreibt Pichler am Montag in einer Pressemitteilung. Die am UN-Gipfel teilnehmende Staatengemeinschaft müsse die "Bedingungen dafür schaffen, dass Migration eine Wahl sein kann, aber keine Notwendigkeit sein muss", heißt es weiter.

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