Flüchtlinge: 100.000 Plätze in deutschen Unterkünften leer

Ein Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft in Köln
Die Flüchtlingszahlen gehen zurück. Es werden viel weniger Ersteinrichtungen und Notunterkünfte benötigt, dafür mangelt es an günstigem Wohnraum.

Fast zwei Jahre nach dem hunderttausende Menschen in Deutschland ankamen, sind in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften rund 100.000 Plätze nicht belegt, obwohl viele Bundesländer die Kapazitäten bereits deutlich reduziert haben. Gleichzeitig gibt es gerade in Ballungsräumen Schwierigkeiten, Zuwanderer dauerhaft mit Wohnungen zu versorgen. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur, die in Kommunen nachgefragt hat.

Bernd Mesovic von "Pro Asyl" ist seit 1980 im Flüchtlingsbereich tätig und weiß, woran es liegt. In aller Hektik seien in den vergangenen Jahren Erstaufnahmezentren errichtet worden, mit der Idee, die Menschen dort während der Einleitung des Asylverfahrens unterzubringen. Nun seien aber die Flüchtlingszahlen stark zurückgegangen, damit aktuell auch der Bedarf an Einrichtungen, erklärt er im Gespräch mit dem KURIER. Besonders schwierig sei die Lage für Kommunen, die in der Eile Verträge mit Privaten geschlossen haben, die meist über sehr lange Zeit laufen. Nun bleiben die Betten leer, die Gebäude müssen aber dennoch in Stand gehalten werden.

In bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sind Erstaufnahmen und zentrale Unterbringungseinrichtungen mit 22.000 Plätzen aktuell zur Hälfte belegt. Zum Vergleich: Im Dezember 2015 standen 78.000 Plätze zur Verfügung, die mit 50.000 Flüchtlingen belegt waren.

Den Leerstand begründet Dieter Schütz, Sprecher des Deutschen Roten Kreuz, auch damit, dass es Unsicherheiten gibt, wie sich die Flüchtlingsbewegungen von Afrika und Asien nach Europa weiter entwickeln. "Da Prognosen über die Entwicklung der Flüchtlingszahlen schwierig sind, halten viele Kommunen nach den Erfahrungen im Jahr 2015 offenbar auch eine gewisse Reserve bereit."

Gebäude multifunktional nutzen

In die Prognosen zu Flüchtlingszahlen gehen auf staatlicher Seite so schwierige Faktoren ein wie die Frage, ob der EU-Deal hält, die Abschottung der Staaten auf der Balkanroute funktioniert, neue Flüchtlingsbewegungen aus Krisenstaaten an den europäischen Außengrenzen ankommen, meint Mesovic. Einen Teil der Unterkünfte werde man aber vermutlich noch brauchen bzw. weiter finanzieren müssen.

Für die Zukunft empfiehlt er aber Unterkünfte, die entweder Wohnungen sein sollten oder ähnlichen Charakter auf dem Standard etwa von Studierendenwohnheimen haben sollten. So könnten diese auch multifunktional genutzt werden. Die Politik müsse von dem Planungsmodus "kurzfristig, provisorisch, zentralisiert, minderwertig" wegkommen: "Mitteleuropa verträgt keine Containerlager als Dauereinrichtungen."

Lösungen braucht es auch bei der Suche nach Wohnungen in Ballungszentren. Da die Mieten dort seit vielen Jahren steigen und der soziale Wohnungsbau quasi abgeschafft wurde, gibt es einen erheblichen Mangel an Privatwohnungen und die Wartelisten für Wohnungssuchende sind lang, sagt Experte Mesovic – das habe aber nichts mit den Flüchtlingen zu tun. Dass diese genauso wie viele andere Menschen in die Stadt ziehen, da es dort mehr Arbeitsplätze gibt, sei für ihn verständlich. Weniger dafür die Tatsache, sie in strukturschwache Regionen zu siedeln, um den dortigen Leerstand abzudecken. "Flüchtlinge sind nicht Objekt, die man zur Wiederbelebung sich entvölkernder Regionen dort festhalten kann, und ein Dach über dem Kopf ist noch keine Integration." Diese Praxis, die sogenannten Wohnsitznahmeverpflichtung" ist eine restriktive Folge der Gesetzesverschärfung im vergangenen Jahr. Demnach sind Anerkannte für drei Jahre verpflichtet, den Wohnsitz dort zu nehmen, wo ihr Verfahren durchgeführt wurde - bis sie einen Arbeitsplatz finden.

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