Matias Mäkynen, 32, Schnauzer und Hipster-Haar, kennt ein paar Antworten. Seit 2019 sitzt er für die Sozialdemokraten unter Premierministerin Sanna Marin im Parlament, dort ist er ebenso wie auf seinem Youtube-Kanal, wo er sich mit Sohn Alvar beim Zähneputzen zeigt, Vorzeigevater nach finnischem Geschmack. „Ich war der erste Abgeordnete, der die Hälfte der Karenz mit seinem Kind verbrachte“, sagt er. „Ich muss oft aus dem Plenum, um den Kleinen vom Kindergarten abzuholen.“ Dumme Kommentare gäbe es keine.
Einen Vollzeitjob und trotzdem Zeit für die Kinder haben: Das ist in Finnland normal. Meetings am späten Nachmittag sind verpönt, wer sein Kind holen muss, geht. So erklärt sich, warum nur 18 Prozent der Frauen in Teilzeit arbeiten, – nicht viel mehr als Männer. Deren Rolle wandelt sich ohnehin: „Viele Podcasts und einflussreiche Instagram-Accounts widmen sich den Gefühlen der Männer“, sagt Mäkynen. Mittlerweile gehört es zum Zeitgeist, ein „weicher“, guter Vater zu sein. Damit löst man sich vom harten Männerbild der Nachkriegsgeneration – und schafft zeitgleich Freiraum für Frauen.
Anders als in Österreich ist auch, dass es parteiübergreifenden Konsens gibt, dass Kinderbetreuung der Schlüssel zur Gleichstellung ist. Die konservative Vorgängerregierung senkte die Kindergartengebühren, Plätze gibt es ohnehin genug. „Viele Finnen zahlen für den Kindergarten gar nichts, der Maximalbetrag sind knapp 300 Euro.“
Die Wurzeln dieses Selbstverständnisses liegen in der Zeit nach 1945, als Finnland Schulden bei den Sowjets begleichen musste. Damals brauchte man jede Arbeitskraft, Frauen teils sogar mehr als die traumatisierten Männer. In allen Teilen Finnlands gibt es daher heute Kindergärten, die auch abends oder nachts geöffnet haben. „Davon profitieren Familien mit geringem Einkommen, die in der Industrie, Dienstleistung oder im Sozialbereich arbeiten – da ist man oft abends oder am Wochenende im Einsatz“, sagt Mäkynen. Zudem werden Kindergärten nicht als „Verwahrungsstätten“ abgetan, sondern sind gut finanzierte Bildungsstätten.
„Der Kindergarten ist zentral für das soziale Leben der Kinder“, sagt Laura. Ihr Toivo wird in einen zweisprachigen Kindergarten gehen, er soll Spanisch lernen. So spielerisch wie möglich.
Aber Aufholbedarf, sagt Mäkynen, gebe es – etwa bei der Karenz. In den ersten Monaten bleiben in Finnland ähnlich wie in Österreich meist die Frauen daheim, das soll sich ändern. Künftig können beide Elternteile je 160 Tage beim Kind sein, dafür bekommen sie 70 Prozent des Gehalts. Einzige Bedingung: „Männer können ihren Teil nicht mehr abgeben“, sagt Mäkynen. Wer die Zeit nicht konsumiert, verliert sie.
Anreize dafür schafft die Politik, indem sie Vorbild ist. Verteidigungsminister Antti Kaikkonen ging gerade zwei Monate in Väterkarenz – mitten im NATO-Beitrittsprozess. Aufgeregt hat das in Finnland niemanden.
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