Faymann: "Wir wollen keinen eisernen Wirtschaftsvorhang"

Kanzlerin Merkel und Bundeskanzler Faymann
Bundeskanzler Werner Faymann schließt eine weitere Eskalation mit Russland nicht aus.

KURIER: Herr Bundeskanzler, war der Gipfel antirussisch?

Werner Faymann: Nein, weil man für eine Deeskalation und für eine Lösung Russland benötigt. Es gibt die Aufforderung an Russland, Verhandlungen mit der Ukraine ernst zu nehmen und eine OSZE-Mission zuzulassen (mehr dazu hier). Gleichzeitig haben wir auch der Ukraine klargemacht: Assoziierung Ja, aber nur auf Basis von Rechtsstaatlichkeit sowie Bekämpfung von Korruption und Extremismus.

Die Krim ist für die Ukraine verloren, oder?

Unrecht und die Völkerrechtsverletzung kann man nicht zur Kenntnis nehmen. Die Entwicklung kann man nicht ungeschehen machen. Es braucht Verhandlungen.

Genügen Konto- und Einreisesperren, um Wladimir Putin die Stirn zu bieten?

Niemand wünscht sich harte Wirtschaftssanktionen. Das würde die wirtschaftlich schwierige Situation und die Arbeitslosigkeit in der EU verschärfen.

Schließen Sie Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland aus?

Nein. Eskalation kann man nicht ausschließen. Ich bin für Verhandlungen, weil Wirtschaftssanktionen auch Gegenreaktionen auslösen.

Wie sehr treffen Wirtschaftssanktionen Österreich?

Wir sind ein Drehscheibe und deswegen besonders betroffen. Es gibt starke wirtschaftliche Verflechtungen. Wir wollen keinen eisernen Wirtschaftsvorhang. Ein Verbot von Waffenexporten etwa würde bei uns keine Arbeitsplätze treffen. Der Tourismus und die Produktion wären sehr wohl betroffen.

Kann man mit Putin ins Gespräch kommen?

Die Kontaktgruppe hat er abgelehnt. Es gibt die Chance einer OSZE-Mission mit 100 bis 300 Leuten – nicht auf der Krim –, um zu sondieren, wie die Lage in der Ost- und Südukraine ist. Wenn die OSZE-Mission nicht zustande kommt, dann bereiten wir eine EU-Mission vor. Auch die braucht aus Sicherheitsgründen die Akzeptanz Russlands.

Kennen Sie Putin? Wie tickt er?

Ich war in Moskau und habe ihn auch beim Staatsbesuch in Österreich kennengelernt, für eine psychologische Analyse reicht die Beziehung nicht. Ich hoffe, dass er einlenkt, weil auch er ein Interesse haben muss, dass es eine wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand in Russland gibt.

Am Ende zieht Putin den Kürzen?

Ich hoffe, dass er genug Gründe hat, einzulenken.

Hat die Krim-Krise die EU-Außen- und Sicherheitspolitik gestärkt?

Jetzt haben wir gemeinsame Beschlüsse erreicht. Aber dahinter gibt es ganz große Unterschiede. Von einer hundertprozentigen gemeinsamen Außenpolitik sind wir weit entfernt.

Schweden überlegt den NATO-Beitritt. Eine gute Idee?

Ich bin ein Anhänger der aktiven Neutralität. Die Ereignisse bestärken mich. Gerade jetzt versetzt uns die Neutralität in die Lage, als Vermittler aufzutreten.

Wie sehr werden die außen­politische Krise und die Kosten des Hypo-Desasters die EU-Wahl beeinflussen?

Ohne Frieden ist alles andere nichts, sagte John F. Kennedy. Das verstehen die Menschen. Das Kernstück Europas ist nicht die Bürokratie, sondern das Friedensprojekt und faire wirtschaftliche Beziehungen. Zur Hypo: Wenn Europa eine gemeinsame Bankaufsicht gehabt hätte, hätte die FPÖ in Kärnten keine Haftung von 20 Milliarden Euro übernehmen können. Finanzspekulationen können wir uns nicht leisten. Ich sage nur: Ich werde wahlkämpfen, und ich werde um jede Stimme werben.

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