Faymann: „Ein Veto trifft auch Österreich“

Kanzler Faymann ist gegen eine Veto-Drohung beim Streit um das EU-Budget.
EU-Budget: Bundeskanzler Werner Faymann will ein faires Ergebnis in Brüssel erreichen.

KURIER: Herr Bundeskanzler, Ihr Koalitionspartner, Vizekanzler Spindelegger, setzt Ihnen eine hohe Latte für die Budgetverhandlungen, selbst das Veto schließt er nicht aus. Sind Sie unter Druck?Werner Faymann: Ein Veto ist als Drohung nicht geeignet, weil ein Veto auch Österreich trifft. Sich selbst mit einer Keule zu drohen, das ist schlecht. Ein Veto ist alles andere als wünschenswert und nur in einer Notsituation einsetzbar. Wenn wir anstelle eines siebenjährigen Finanzrahmens nur mehr jährliche Budgets zur Verfügung haben, die mit Mehrheit beschlossen werden müssen, gibt es keine Berechenbarkeit mehr. Das ist für alle ein Nachteil. Österreich kann dann jederzeit überstimmt werden.

Warum?Unser Rabatt würde zu 60 Prozent wegfallen, weil die Vereinbarung, die den Mehrwertsteueranteil betrifft, 2013 ausläuft. Nur Großbritannien würde den Rabatt behalten. Die Rechtsgrundlage für viele Förderungen, von denen wir profitieren, würde wegfallen. Mit jährlichen Budgets wird die EU unsicherer, für die Wirtschaft und für Investoren ist das kein Vorteil. Der Präsident der Industriellenvereinigung sagte mir, dass viele österreichische Betriebe in den neuen Mitgliedsländern investieren und Verlässlichkeit bei Förderungen und Projekten brauchen.

„Sich selbst mit einer Keule zu drohen, ist schlecht“

Wird der Gipfel eine Einigung bringen?Ich verspreche nicht, dass wir am Sonntag fertig sind. Genauso ist es möglich, dass es im Frühjahr weitergeht. Wir liegen in wesentlichen Fragen auseinander. Jeder möchte weniger zahlen und mehr bekommen. Man verlangt von uns einen Nettobeitrag von 0,37 Prozent unserer Wirtschaftsleistung. Nur weil die anderen so wenig Geld abgeholt und wir so viel Förderungen abgeholt haben, kommt es bei uns zu so einer Steigerung. Mit0,37 Prozent zahlen wir weniger als Deutschland, die Niederlande und Großbritannien, obwohl sie einen Rabatt haben.

Österreich darf für den guten Einsatz von EU-Mitteln nicht bestraft werden.Man muss zu einem fairen Ergebnis kommen. Jene, die mehr haben, müssen auch mehr leisten. Statistisch haben wir uns verbessert, deswegen will uns die Kommission den Rabatt streichen. Ich werde um den jährlichen Rabatt von rund 180 Millionen Euro kämpfen. Bei der ländlichen Entwicklung haben wir wenig Unterstützung. Ich habe unsere Position der deutschen Bundeskanzlerin erklärt.

Wie haben Sie als Liesinger der deutschen Bundeskanzlerin das Bergbauernproblem erklärt?(lacht) Ich habe beim Gießhübl begonnen und bei den Tiroler und Vorarlberger Bergen aufgehört. Im Ernst: Mehr als die Hälfte unserer Bauern liegt in ländlichen Gebieten und in Bergregionen.

Was machen Sie, wenn der Rabatt verloren geht und die Rückflüsse geringer werden?Wir müssen darauf achten, dass das nicht passiert. Wir müssen auch darauf achten, den Budgetkurs einzuhalten. Es steht eine Erhöhung der Nettozahlungen von 400 bis 600 Millionen Euro im Raum.

Finanzministerin Fekter sagte, dass sie das Geld lieber für Pendler als für die EU verwendet. Wie sehen Sie das?Ehrlich, das habe ich nicht verstanden. Das ist normalerweise der Ausspruch von Herrn Strache, der sagt: ,Unser Geld für unsere Leute.’ Ich muss ganz ehrlich sagen, wir brauchen unser Geld für Europa und für unsere Arbeitsplätze. Was habe ich von einer Pendlerpauschale,wenn es keinen Arbeitsplatz mehr gibt und man nirgendwohin mehr pendeln kann. Niemand soll versuchen, Strache zu überholen. Sein Vorschlag, den Nettobeitrag zu halbieren, würde den Zusammenbruch von Infrastrukturprojekten, von Forschung und des sozialen Zusammenhalts bedeuten. In so einen Wettbewerb braucht man sich gar nicht zu begeben. Ich stehe klar auf der anderen Seite, das muss man in der Demokratie auch vertreten.

Sind Sie über solche Töne aus der ÖVP erstaunt?Das muss sich die ÖVP selber ausmachen.

Aber Frau Fekter ist Ihre Finanzministerin.Deshalb habe ich es in der Regierung auch zur Sprache gebracht. Wir wissen – selbst wenn wir den Rabatt durchsetzen –, dass wir mit erheblichen Mehrzahlungen zu rechnen haben. Ich habe die Finanzministerin gefragt, wie der Mehrbetrag im Budget untergebracht wird. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder es verbessert sich die Budgetlage etwa durch geringere Zinszahlungen, oder wir müssen diskutieren, was wir machen. Ich bin ein Anhänger von Millionärssteuern. Mehr Schulden geht nicht, das führt dazu, dass die geringen Zinsen, von denen wir profitieren, in die Höhe gehen. Diese Spielräume muss man verteidigen.

Welche Reaktionen gibt es auf Ihren Vorschlag, die Rabatte für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu nützen?Das ist ein Maximalvorschlag. Bevor wir ewig über Rabatte diskutieren, investieren wir acht Milliarden in die Ausbildung arbeitsloser Jugendlicher. Das bringt einer Million junger Menschen eine Ausbildung. Mit meinem Vorschlag ist es ähnlich wie bei der Finanztransaktionssteuer. Wir müssen weiter denken, es geht um nachhaltigere Politik.

Im Rahmen der Redakteure-to-go-Aktion hat sich Leser Florian P. gewünscht, bei dem Interview dabei zu sein - hier das Video.

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