Ilaria Capua: Die Virologin entschlüsselte schon das Vogelgrippevirus
„Ich bin eine Wissenschafterin, beiße mir nicht auf die Zunge, habe Erfolg und bin keine Labormaus“, sagte die italienische Virologin Ilaria Capua einmal über sich selbst.
Das italienische Fernsehen schaltet die 54-Jährige fast täglich aus den Vereinigten Staaten zu, damit sie ihren Landsleuten das Corona-Virus erklärt. Das tut sie mit so viel Fachwissen, Einfühlungsvermögen und auch Humor, dass die Italiener jetzt an den Lippen dieser Ausnahmewissenschafterin und ehemaligen Politikerin hängen.
Die Römerin Capua hat dafür gestritten, dass es heute eine weltweit verfügbare Datenbank über Covid-19 gibt. Dafür setzte sie ihre Karriere aufs Spiel. Doch dank ihrer Beharrlichkeit haben Forscher jetzt dieselben Coronainformationen im Wettlauf um Medikamente und einen Impfstoff.
Ilaria Capua knackte 2006 den genetischen Code des afrikanischen Ablegers von H5N1 – des Vogelgrippevirus. Damals legte sie sich mit der WHO an, die verlangte, dass sie ihre Erkenntnisse in einer internen Datenbank hinterlegen möge. Dafür, so versprach ihr die WHO, würde ihr bis dahin unbedeutendes Labor in Padua mit dem sperrigen Namen „Istituto Zooprofilattico Sperimentale delle Venezie“ fortan zu den rund 20 weltweit führenden Labors gehören, die exklusiv Zugang zu solchen „heißen“ Daten bekommen.
Capua dachte nicht im Traum daran, auf das Angebot einzugehen. Sie hielt es für ein unmoralisches Angebot, weil so wichtige Informationen ihrer Meinung nach nicht in einem geschlossenen Kreis einiger weniger Forscher zurückgehalten werden dürften. Heute bildet ihre Entdeckung die Grundlage für die weltweite Suche nach einem Corona-Impfstoff.
Daten ins Netz gestellt
Ilaria Capua veröffentlichte alle ihre Daten kurzerhand im Internet. Diese Aktion brachte ihr einen scharfen Verweis der WHO ein und von Kollegen viel Kritik. Sie mache das nur für ihre Karriere, hieß es. Erst fünf Jahre später reagierte die WHO mit einem Kurswechsel und gab den Zugang zu allen virulenten Daten frei.
Heute weiß der Wissenschaftsbetrieb, dass es Ilaria Capua war, die dafür sorgte, dass jetzt alle wichtigen Daten über Covid-19 frei verfügbar sind.
Die Italienerin hat sich noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Sie macht das mit italienischer Grandezza. Weil Männer vom Coronavirus häufiger betroffen sind als Frauen, schlug sie vor, zum Ende der Quarantäne die Frauen zuerst hinauszuschicken. Die Männer würden dann vielleicht sogar geputzte Büros vorfinden – „aber Vorsicht! Vielleicht fehlen dann ihre Stühle“. Womit sie natürlich meinte, dass gut qualifizierte Frauen im patriarchalen Italien vielleicht bald besser Karriere machen könnten und endlich auch die Chefsessel erobern. „Frauen könnten die Motoren des Neustarts in Italien werden“, glaubt Capua.
Wie man mit Intrigen umgeht, musste Capua auf besonders fiese Weise erfahren: Ihr Institut in Padua hatte bereits 70 Mitarbeiter, als sie der spätere Ministerpräsident Mario Monti 2013 einlud, auf seiner Bürgerliste für die Parlamentswahlen zu kandidieren. Capua wurde gewählt und gab drei Jahre später ihren sofortigen Rücktritt bekannt. Denn gegen die Virologin war kurz nach ihrer Wahl ein Verfahren wegen Korruption, Missbrauchs von Büroräumlichkeiten und illegalen Handels mit Viren eingeleitet worden.
Ihr wurde zur Last gelegt, absichtlich Viren geschaffen zu haben, um danach Impfstoff zu verkaufen. Die renommierte Wochenzeitschrift Espresso berichtete ausführlich über den Fall, von dem bis heute nicht bekannt ist, wer ihn ins Rollen gebracht hatte. Ein üblicher Vorgang in Italien.
Flucht in die USA
Ilaria Capua wurde von allen Klagen freigesprochen. Doch ihr Ruf blieb beschädigt. Weil sie in ihrer Heimat keine Zukunft sah, packte sie 400 Umzugskisten und ging mit Mann und Tochter in die USA. Dort leitet sie heute an der Universität Florida das „One Health Center of Excellence“.
Für Capua steht übrigens außer Frage, dass das Coronavirus von Wildtieren auf den Menschen übergesprungen ist. Dass das Virus aus einem Labor entsprungen sei, glaubt sie angesichts der jetzt bekannten, vorliegenden Struktur nicht.
Was sie aber fordert, ist ein neuer, respektvoller Umgang mit Umwelt, Natur und Tieren: „Denn wir leben in einem geschlossenen System, in dem nichts und niemand ausgeschlossen ist.“
Jacinda Ardern: Krisenmanagerin am anderen Ende der Welt
„Be kind“, sei nett, so lautet das neuseeländische Mantra in Pandemie-Zeiten. Freundlich und nett verkündete Premierministerin Jacinda Ardern den fünf Millionen Bewohnern des Pazifikstaates die Ausgangssperre: „Wir gehen als Nation in die Isolation.“ Und saß am Abend im Sweatshirt vor dem Laptop, um via Facebook-Livechat Fragen zu beantworten. Die Botschaft: Ich bin so wie ihr. Gleichzeitig lockert sie so die Freiheiten für Spitzenpolitikerinnen. Überhaupt nutzt sie jede Chance, um in Sachen Frauenrechte und Gleichstellung Stellung zu beziehen und Zeichen zu setzen.
Wie 2017, als sie einen Tag nach Amtsantritt ihre Schwangerschaft bekannt gab. Später nahm sie ihre (heute einjährige) Tochter, um die sich großteils ihr Mann kümmert, auch mal zu Terminen wie in die UNO-Vollversammlung mit.
Effektive Führerin
Neben ihrer volksnahen Art loben sie CNN und The Atlantic als „effektivste weibliche Führerin der Welt“. Aktuell gibt es in Neuseeland 1.461 Erkrankte, 1.118 Genesene und 18 Todesfälle. Mit einem Reproduktionsfaktor von 0,5 liegt man im Ländervergleich weit vorne – die Zahl gibt an, wie viele Mitmenschen ein Infizierter ansteckt. Dazu trägt auch die geografischen Lage des Inselstaates bei.
Während Arderns Bilanz positiv ausfällt (wobei sie Erwartungen dämpfte: Die positive Entwicklung bedeute nicht, dass es keine neuen Fälle mehr geben könnte), fiel ihr Gesundheitsminister als Sünder auf. Er war trotz Sperre mit der Familie an den Strand gefahren, wofür er reuig seinen Rücktritt anbot. Unter normalen Umständen hätte sie ihn entlassen, so Ardern, nur in Krisenzeiten dürfe es keine Störungen im Gesundheitsbereich geben. So wurde er freundlich aber doch im Kabinettsrang degradiert.
Mai Thi Nguyen-Kim: Aufklärerin auf YouTube
Chemische Prozesse, Genetik – was Mai Thi Nguyen-Kim im Netz erklärt, ist komplex, kommt aber an. Die promovierte Chemikerin, Moderatorin („Quarks“) und Wissenschaftsjournalistin betreibt auf YouTube einen populären Kanal: Mehr als 800.000 Menschen haben „maiLab“ abonniert, den sie mit Funk, dem Jugendkanal von ARD und ZDF produziert. Ihr Erklärvideo zur Covid-19-Pandemie klickten bisher mehr als 5,7 Millionen an.
Zuletzt warnte die 32-Jährige in einem Kommentar für die Tagesschau, warum die strengen Maßnahmen wichtig sind und das bewusste Herbeiführen von Herdenimmunität nicht umsetzbar ist. Wenn darüber unser Gesundheitssystem nicht zusammenbrechen soll, ginge das nur mit starken Einschränkungen über einen Zeitraum von einem Jahr – unmöglich, analysierte sie. Neben positivem gab’s dafür auch negatives Feedback – etwa von jenen, die das Virus als leichte Grippe abtun oder „Meinungseinheitsbrei“ orten.
Kampf gegen Fake News
Nguyen-Kim kennt das. Es war auch der Begriff „alternative Fakten“, der 2017 aus dem Weißen Haus in die Welt drang und in ihr den Wunsch weckte, aufzuklären, wie man in der Zeit über sie erfährt. „Früher hat man geglaubt, was Wissenschafter gesagt haben. Jetzt nicht mehr“, sagte sie da.
Das Angebot aus der Industrie hatte die Chemikerin, die in einem kleinen Ort in Baden-Württemberg aufwuchs, und am MIT sowie in Harvard forschte, schon am Tisch – doch sie lehnte ab. Stattdessen baute sie ihren Videokanal aus. Und beweist, dass man in sozialen Medien nicht nur mit Empörung oder Zuspitzung Reichweite erlangt, wie sie BrandEins wissen ließ: „Je länger wir für die Recherche gebraucht haben, desto besser kommt es an (..) je tiefer wir gehen, desto besser.“
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