Experte zu Berlin-Anschlag: Überreaktion nützt Terroristen
Die Faktenlage war noch mehr als unsicher. Doch bereits wenige Stunden nach dem Anschlag von Berlin war für Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) klar, dass "wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken müssen". Und auch die AfD versuchte umgehend, einen Zusammenhang zwischen dem Attentat und der Flüchtlingspolitik herzustellen.
"Die CSU hat keine Sekunde gezögert, diesen Anschlag so umzudeuten, wie sie in haben wollte. Nämlich dahin gehend, er habe etwas mit der Integrationspolitik zu tun", sagt Eder. Die Partei versuche ja bereits seit Wochen, mit dem Sicherheitsthema zu punkten. "Politik – vor allem in diesem Bereich – handelt ganz stark mit Emotionen. Das zielt auf die Angst und Unsicherheit der Bevölkerung ab und versucht das Ereignis dahingehend auszunützen, dass man ohne große Fakten sofort Stimmung schafft", warnt der Forscher.
Kapital schlagen
Wie wichtig Fakten jedoch für die Bewertung von Attentaten sind, hätten nicht zuletzt die Anschläge von Würzburg, Ansbach oder Nizza gezeigt. "Da hat es sofort geheißen, das war der IS. Und nach Monaten kommt man darauf, dass das Einzelpersonen waren und einen richtigen Kontakt zum IS gab es gar nicht", sagt Eder, für den feststeht: "Politiker versuchen einfach, Kapital aus solchen Anschlägen zu generieren."
Das gelte in Deutschland für die CSU wie auch die AfD. Dass Rechtspopulisten noch vor Klärung der Hintergründe eines Terroranschlags ihre eigenen Schlüsse ziehen, ist jedoch ein gefährliches Spiel. "Diese Überreaktion führt zu einem Klima, das Terroristen dienlich ist. Sie zielen darauf ab, Gesellschaften zu spalten", sagt der Wissenschafter.
Die Argumentation von Rechtspopulisten und rechts stehenden Parteien, dass das alles ohne die Flüchtlingskrise nicht passiert wäre, komme zwar bei der Bevölkerung gut an. "Empirisch belegen lässt sich das aber nicht." Denn schon vor dem Flüchtlingsstrom habe es in Europa Anschläge gegeben, die zum Teil wesentlich brutaler waren. "Man denke an Madrid, man denke an London."
Angesichts der bevorstehenden Wahlen in Deutschland ist für Eder die Gefahr von Terrorakten dort nun eher höher als zuletzt. Er erinnert daran, dass Islamisten etwa die Zug-Attentate von Madrid 2004 unmittelbar vor Parlamentswahlen durchgeführt hatten.
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