Gemeinsames Ziel beim EU-Videogipfel: Schneller impfen, Virusvarianten bremsen – aber bei der Koordinierung hapert es: kein gemeinsames Impfzertifikat, das Reisen wird schwieriger.
Es ist Feuer am Dach – erkennbar allein schon daran, wie sehr sich die Ideen von Europas Regierungschefs überschlagen. Überall eint die europäische Politik die Sorge: Wie können, die sich rasch verbreitenden, britische und südafrikanische Corona-Virus-Mutation, eingedämmt werden? Wie verhindern, dass der Wettlauf – Impfung gegen immer mehr Ansteckungen – verloren geht?
Noch vor dem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs, bei dem man am Donnerstagabend eine einheitliche Vorgehensweise im Kampf gegen das Virus abstimmen wollte, lagen zahlreiche Forderungen auf dem Tisch:
So etwa drängte Bundeskanzler Sebastian Kurz erneut auf die raschere Zulassung weiterer Impfstoffe durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA): "AstraZeneca kann für Österreich im ersten Quartal zwei Millionen Impfdosen bereitstellen. Das würde den Erfolg der Impfungen in Österreich enorm beschleunigen", sagte er.
Zusammen mit den Regierungschefs Griechenlands, Dänemarks und Tschechiens hatte Kurz in einem Brief den EU-Ratspräsidenten Charles Michel aufgefordert, den Druck auf die EMA zu erhöhen.
Österreich will mit "Firstmover-Staaten" Druck auf EMA erhöhen
Zulassung am Freitag
Diese hat zwar angekündigt, AstraZeneca am kommenden Freitag grünes Licht zu geben. Damit wäre nach Biontech/Pfizer und Moderna in der EU der dritte Impfstoff gegen Corona verfügbar.
Doch der Regierung in Wien reicht diese Aussicht nicht: Jeder Tag früher sei ein Gewinn. Dass die EMA auf politischen Druck reagiert, hat sie schon einmal bewiesen. Nach heftigen Interventionen aus Berlin und Brüssel war die ursprünglich für Ende Dezember vorgesehene Zulassung von Biontech/Pfizer plötzlich noch vor Weihnachten möglich geworden. Besonders in Portugal und Spanien schossen die Infektionszahlen zuletzt wieder dramatisch in die Höhe. Und groß ist die Sorge, dass es sich dabei um eine besonders aggressive Virusvariante aus Brasilien handeln könnte.
Einig war man sich deshalb beim Gipfel: "Alle Staaten müssen besser werden beim Sequenzieren", schildert ein Diplomat – also beim Herausfiltern, um welche Virusvarianten es sich handelt.
Doch dann war es mit der Geschlossenheit am Gipfel auch schon wieder vorbei.
Die Idee eines einheitlichen europäischen Impf-Zertifikates wird zwar generell gut geheißen. Von einer Einführung, wie es vor allem Griechenland, Portugal und Spanien anstreben, ist man aber noch weit entfernt: "Viel zu früh", winkt man auch von österreichischer Seite ab – zumal man noch nicht einmal wisse, ob Geimpfte das Virus weiter verbreiten oder nicht.
Einreisebeschränkungen
Deutschlands Kanzlerin Merkel wiederum drohte erneut mit Grenzkontrollen, sollte sich das Virus nicht in den Griff bekommen lassen. Eine Art der Bremse wurde nun beim Gipfel angedacht: Einreisebeschränkungen – das könnte nun für "nicht essentielle Reisen" möglich werden. Dies könnte sowohl für Nicht-EU-Bürger als auch für Reisende aus Hochrisikogebieten innerhalb der EU geschaffen werden, hieß es in diplomatischen Kreisen.
"Dunkelrote Gebiete"
Eine eigene Kategorie soll dafür eingeführt werden: "dunkelrote Gebiete", also Regionen, wo die Infektionsrate besonders hoch ist. Wer von solch einer Region einreist, soll demnach künftig einen negativen PCR-Test (gemacht mindestens 72 Stunden vor der Abreise) vorlegen. In Österreich gilt diese Regelung allerdings schon seit Monaten. In Frankreich wird sie ab ab Montag eingeführt.
Deutschland kann sich aber noch mehr vorstellen: Corona-Tests für Pendler in Grenzregionen mit hohen Infektionszahlen – wie etwa zu Tschechien. Diese Tests müssten mehrmals pro Woche stattfinden.
Jedes Land für sich – von diesem Weg aber rückten die EU-Staats- und Regierungschefs auch gestern nicht bei ihren Test- und Quarantänestrategien ab. Obwohl stets eine einheitliche, europäische Vorgehensweise gefordert wird, bleibt jeder Staat bei sein eigenen Regeln, wer wie lange in Quarantäne gehen muss oder welcher Test wann anerkannt wird.
Sicher ist nur: Grenzsperren wie im März wird es keine geben.
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