EU will Tausende Flüchtlinge im Monat umsiedeln

Im Grenzland bleibt die Situation dramatisch
Von einer Hand voll auf 6.000: Die Kommission will nun bei der Umverteilung Tempo machen.

(Korrektur 16:52: EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sprach auf Englisch von einer Umsiedlung von 6.000 Menschen pro Woche. Auf Griechisch sprach er von 6.000 Menschen pro Monat. Zunächst wurde die erste, missverständliche Version veröffentlicht.)

Die Europäische Union tritt bei der Lösung der Flüchtlingskrise auf der Stelle. Der Zustrom von Migranten hält weiter an, für die Menschen an der griechisch-mazedonischen Grenze spitzt sich die Lage täglich weiter zu. Die jüngsten Ereignisse im Überblick:

  • Laut EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos will die EU bald 6.000 Menschen pro Monat umverteilen.
  • Seit Schließung der Balkanroute harren Hunderte Migranten an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien aus, im provisorischen Camp in Idomeni stellen Regen und Schlamm die Nerven auf eine harte Probe.
  • Am Montag ging im Flüchtlingslager ein Flugblatt umher, das bis zu 2.000 Menschen dazu veranlasste, sich auf eigene Faust nach Mazedonien aufzumachen. Das Blatt war unterzeichnet mit "Kommando Norbert Blüm".
  • Drei Menschen starben bei dem Versuch, nach Mazedonien zu gelangen. Sie ertranken im Fluss Suva.
  • Am Dienstag begannen Mazedoniens Behörden, die Flüchtlinge wieder zurückzuschieben.
  • Die Balkanroute bleibt geschlossen, hieß es heute einmal mehr von der österreichischen Regierung.

Die Europäische Kommission will nach Angaben von EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos die Geschwindigkeit der Umsiedelung von Flüchtlingen aus Griechenland in andere EU-Staaten signifikativ erhöhen. "Unser Ziel ist es, 6.000 Menschen pro Monat umzuverteilen", sagte Avramopoulos am Dienstag bei einem Besuch in dem Flüchtlingscamp Idomeni.

"Und wir arbeiten hart daran, das zu erreichen." Bisher tritt aber die geplante Umsiedelung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf der Stelle. Lediglich 937 Schutzsuchende wurden nach Angaben der Kommission bis einschließlich Montag umverteilt, insgesamt 6.975 Plätze haben die EU-Staaten demnach angeboten. Avramopoulos forderte die Länder am Dienstag erneut zu mehr Solidarität auf. "Ich rufe die Mitgliedsstaaten auf, uns mehr Plätze einzumelden", sagte er. An die Flüchtlinge appellierte er: "Wenn sie einen legalen Weg einschlagen, werden sie eines Tages unter gastfreundlichen und lebenswerten Bedingungen weggehen können".

VIDEO: In Minute 09:44 spricht Dimitris Avramopoulos auf Englisch fälschlicherweise von "6.000 people per week"

Zurück nach Griechenland

Bis dahin scheint es für die allermeisten aber noch ein weiter Weg. Die Gestrandeten von Idomeni harren seit Schließung der Balkanroute aus; gestern machten sich Hunderte auf eigene Faust aus Griechenland nach Mazedonien auf. Heute ließ Mazedonien verlautbaren, dass viele der Flüchtlinge wieder zurück nach Griechenland geschoben werden. Nach Angaben der Polizei wurde damit bereits in den Morgenstunden begonnen. Laut Medienberichten war auch eine Gruppe von etwa 40 Journalisten, die die Gruppe begleitete, vorübergehend wegen illegalen Grenzübertritts verhaftet worden. Nachdem sie eine Geldstrafe in der Höhe von rund 260 Euro pro Person bezahlten, wurden sie nach Angaben mazedonischer Medien wieder freigelassen. Unter den Festgenommenen befand sich auch die österreichische Aktivistin Fanny Müller-Uri.

Brutale Rückschiebung

Jene Flüchtlinge, die am Dienstag nach Griechenland zurückgekehrt waren, berichteten gegenüber Journalisten, dass sie von mazedonischen Sicherheitskräften mit Schlagstöcken traktiert worden. Die Situation beschrieben sie als "bedrohlich". Vor ihnen habe sich ein Spalier aus Soldaten und Polizisten mit Hunden formiert. Die Sicherheitskräfte hätten schließlich die kleinen Zelte der Flüchtlinge zerstört und die Migranten harsch aufgefordert, nach Griechenland zurückzukehren.

Ärger über organisierten Exodus

Die Wanderung, auf die sich am Montag bis zu 2000 Flüchtlinge gemacht hatten, um nach Mazedonien zu kommen, ist nach Ansicht der griechischen Regierung provoziert worden. "Wir haben in unseren Händen Flugblätter, die zeigen, dass das eine organisierte Aktion war", erklärte der Sprecher des Krisenstabes für die Flüchtlingskrise, Giorgos Kyritsis, in Athen. Wer hinter der Aktion gesteckt habe, war zunächst unklar. Der griechische Premier Alexis Tsipras verurteilte die Flugblatt-Aktion scharf. Es handle sich um "gefährliches Verhalten zu Lasten der Flüchtlinge".

Die Gerüchte über den Ursprung des Blatts mehrten sich. Am Ende des Zettels stand geschrieben "Kommando Norbert Blüm" (den genauen Wortlaut lesen Sie unten). Der deutsche Ex-Arbeitsminister hatte am Wochenende demonstrativ in einem Zelt in Idomeni Quartier bezogen, um auf die Lage der Flüchtlinge aufmerksam zu machen. Der deutschen Bild-Zeitung sagte Blüm, die Aktion habe er nicht initiiert. Zum Spiegel meinte der 80-Jährige, er wisse nicht, wie sein Name auf das Flugblatt komme und wer dahinter stecke. "Ich verstehe das nicht."

EU will Tausende Flüchtlinge im Monat umsiedeln
Norbert Bluem, former German Minister for Labour and Social Affairs addresses the delegates of a Christian Democratic Union (CDU) two-day party convention in the western German city of Duesseldorf December 6, 2004. The party is to make patriotism, long a controversial issue in Germany, the central part of its congress on Monday. REUTERS/Michael Dalder

Wieder ein Gipfel

Am Donnerstag und Freitag werden die 28 EU-Staats- und Regierungschefs erneut über eine gemeinsame Lösung der Flüchtlingskrise beraten. Am Freitag geht es um den mit der Türkei geplanten, höchst umstrittenen "Flüchtlingsdeal". Nach bisher getroffenen Absprachen soll sich Ankara verpflichten, alle Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen. Im Gegenzug soll die EU anerkannte syrische Kriegsflüchtlinge im Verhältnis eins zu eins aus der Türkei aufnehmen. Am Mittwoch will die Kommission Details zu dem Deal festlegen.

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat dafür eine Reihe von Forderungen an die EU-Kommission gestellt. In einem Brief an Migrationskommissar Avramopoulos fordert sie etwa, die Türkei zeitgleich mit der Visa-Liberalisierung zum sicheren Herkunftsstaat zu erklären. "Wie jeder anderer Drittstaat, muss auch die Türkei alle Voraussetzungen für eine allfällige Visa-Liberalisierung vollinhaltlich erfüllen", heißt es in dem mit 14. März datierten und der APA vorliegenden Schreiben. "Spätestens zeitgleich" mit dieser müsse die Türkei zudem zum "sicheren Herkunftsstaat" erklärt werden.

Griechische Medien veröffentlichten Kopien der Flugblätter "Kommando Norbert Blüm" (Bild vom Flugblatt siehe unten), die Unbekannte an die Migranten verteilt hatten. Der Text der Flugblätter laut einer in der griechischen Presse veröffentlichten Übersetzung aus dem Arabischen:

1. Die griechisch-mazedonische Grenze ist und wird zu bleiben

2. Es gibt keine Busse oder Züge, die Sie nach Deutschland bringen werden.

3. Es ist sehr gut möglich, dass wer in Griechenland bleibt (am Ende) in die Türkei abgeschoben wird.

4. Wer es schafft illegal in einem anderen Staat Mittel- oder Osteuropas zu reisen, wird bleiben können. Deutschland akzeptiert noch Flüchtlinge.

5. Es ist möglich, dass das Lager von Idomeni in den kommenden Tagen evakuiert wird. Möglicherweise werden Sie dann in andere Lager gebracht und danach in die Türkei ausgewiesen.

Die Lösung:

1. Der Zaun, der vor Ihnen steht, soll Sie in die Irre führen, damit Sie glauben, die Grenze sei geschlossen.

Der Zaun endet fünf Kilometer von hier. Danach gibt es keinen Zaun, der Sie daran hindern könnte, nach Mazedonien zu reisen. Sie können hier rübergehen (schauen Sie auf die Karte)

2. Wenn Sie sich in kleinen Gruppen bewegen, werden Sie von der mazedonischen Polizei oder der Armee festgenommen und nach Griechenland zurückgebracht.

3. Wenn Sie aber zu Tausenden versuchen gleichzeitig über die Grenze zu kommen, wird die Polizei Sie nicht stoppen können.

Lasst uns alle um 14.00 Uhr im Camp (von Idomeni) treffen. Bitte schauen Sie auf die Karte, um den Weg zum Treffpunkt zu sehen.

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