EU-Wahl: "Eine Katastrophe für Frankreich"
Stimmen die Umfragen, könnte das Ergebnis der EU-Wahlen in Frankreich die Staatsführung um Emmanuel Macron, die durch die Revolte der „Gelbwesten“ bereits angeschlagen ist, in eine noch schwerere Legitimitätskrise stürzen. Und das würde auch die Ambitionen des französischen Präsidenten bei der Erneuerung der EU behindern. Laut Umfragen könnte der „Rassemblement national“ (RN, vormals „Front National“) von Marine Le Pen mit rund 23 Prozent in Führung gehen.
Das wäre kein umwerfender Stimmenanteil. Bei den EU-Wahlen 2014 hatte die Rechtspartei bereits 25 Prozent errungen. Auch würde der Vorsprung des RN gegenüber der Liste „Renaissance“, die Macron bilden ließ, wohl nur ein bis zwei Prozente betragen.
Ein solches Ergebnis aber käme dennoch einer bitteren persönliche Niederlage für den liberalen Präsidenten gleich. Zumal er die EU-Parlamentswahlen zu einer Schicksalsschlacht zwischen den „fortschrittlichen“ Kräften (die er für sich beansprucht) und den Nationalisten stilisiert hat. Würden letztere siegen, wäre das „eine Katastrophe für Frankreich und Europa“, warnt Macron eindringlich.
Rache Le Pens
Im Gegenzug erklärte Marine Le Pen die EU-Wahl zur „Volksabstimmung über Macron“. Wenn er verliere, müsse er „zurücktreten“. Diese Forderung hat allerdings in den eigenen Reihen der Nationalistenpartei Unbehagen ausgelöst. Auch RN-Politiker sehen darin die allzu plumpe Äußerung des Wunschs von Marine Le Pen nach einer Revanche für ihre Niederlage bei den Präsidentenwahlen und ihr eklatantes Versagen im damaligen TV-Duell mit Macron.
Die Nationalistin hat zwar seither den „Frexit“ (also Frankreichs EU-Austritt) beiseite gelegt, dafür vergleicht sie die Europäische Union jetzt wieder mit dem kommunistischen Zwangsimperium Sowjetunion: Die „EUDSSR“, wie sie die EU in Anspielung auf die zerfallene UdSSR nennt, sei „für ein wirtschaftliches und identitäres Tschernobyl verantwortlich“.
Es ist freilich nicht ausgeschlossen, dass Macrons EU-Liste im Endspurt doch noch den RN überrundet, indem sie zwei bis drei zusätzliche Prozente ergattert. Diese könnten wohl vor allem aus der konservativen Wählerschaft kommen. Macrons liberaler Wirtschaftskurs findet dort meistens Zustimmung. Außerdem hat der Staatschef zuletzt die „Verwurzelung“ gegenüber dem globalen „Nomadentum“ gepriesen und für eine verstärkte „Grenzziehung“ durch eine Revision des Schengener Abkommens plädiert.
Soziale Akzente
Andererseits bemüht sich Macron durch soziale Akzente (etwa die Forderung nach der EU-weiten Einführung von Mindestlöhnen) und spektakuläre ökologische Ansagen enttäuschte Mitte-links-Wähler zurück zu gewinnen. Die Kandidaten-Liste „Renaissance“ wirbt mit zwei prominenten Ökologen.
Im linksökologischen Milieu überwiegt aber Ablehnung gegenüber Macron. Diese Kreise stoßen sich nicht zuletzt daran, dass auf der Pro-Macron-Liste auch Vertreter der mächtigen Lobbys der Agrarchemie und der Jäger kandidieren. Viele dieser Wähler hatten bei der Präsidenten-Stichwahl zwar für Macron gestimmt, um Le Pen zu verhindern; sie empfinden den abermaligen Verweis auf einen drohenden Sieg der Nationalistin bei der EU-Wahl jetzt aber als eine Erpressung vonseiten Macrons.
Andererseits ist das linke Kandidaturen-Angebot diesmal derartig zersplittert, dass doch noch ein Teil der zur linken Mitte tendierenden Wähler auf Nummer sicher gehen und bei Macron landen könnte.
Kommentare