Als also Europas Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag zu ihrem zweiten Gipfel in zwei Wochen in der EU-Hauptstadt aufmarschierten, gab sich vor der Presse jeder entschlossen, bereit aufzurüsten, bereit die Ukraine zu unterstützen. Auch Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker hatte schon vorab klar gemacht, dass man sich nicht nur auf die Neutralität verlassen könne, ohne sich verteidigen zu können, das sei ein „gefährlicher Trugschluss“.
Lediglich Ungarns ohnehin gewohnheitsmäßig quertreibender Premier Viktor Orban nahm sich, was die Ukraine betrifft, auch diesmal von Anfang an aus dem Spiel. Die Gipfel-Unterstützungserklärung für das von Russland vor drei Jahren überfallene Land musste ohne Ungarn, also mit 26 EU-Mitgliedsländern auskommen.
Kein Geld für Ukraine
Doch auch hinter der demonstrativen Geschlossenheit der 26 taten sich auch auf diesem EU-Gipfel einige Unstimmigkeiten beim Thema Ukraine auf. EU-Außenministerin Kaja Kallas hatte ja seit Wochen versucht, weiteres Geld oder Waffen für die militärische Unterstützung der Ukraine zusammenzutragen. 40 Milliarden sollten es sein, auch um den Ausfall der USA als lange wichtigstem Waffenlieferanten, auszugleichen. Kallas war sehr früh und sehr laut mit ihrem Plan an die Öffentlichkeit gegangen – und ziemlich kleinlaut musste sie jetzt zurückrudern. Gerade einmal fünf Milliarden Wert werden Waffen und Ausrüstung haben, die jetzt noch geliefert werden sollen. Es handelt sich vor allem um Artilleriegranaten, bei deren Lieferung ohnehin seit längerem im Rückstand war. Auch große EU-Staaten wie Frankreich, Italien, oder Spanien waren zuletzt auf die Bremse gestiegen. Drängende Budgetprobleme zu Hause ließen, etwa bei den Franzosen, nicht viel Spielraum für Großzügigkeit.
Waffen aus Europa
Geht es um die eigene Aufrüstung der EU-Staaten , für die ja laut EU-Plänen, 800 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren fließen sollen, stellt sich das militärisch starke Frankreich in die erste Reihe. Geld für Waffen, ja, aber in Europa sollen sie hergestellt werden. Das sei die Grundvoraussetzung, um die von der EU in Aussicht gestellten Kredite in Anspruch zu nehmen. Frankreich, das eine riesige Rüstungsindustrie hat, sieht große wirtschaftliche Chancen. Dass dabei die USA als traditionell größter Waffenlieferant für Europa außen vor bleiben sollen, passt wiederum jenen Ländern nicht, die auf gute Beziehungen zu den USA setzen, also etwa Polen oder Italien. Spanien wiederum, für das der Ukraine-Krieg und eine russische Bedrohung einen Kontinent entfernt sind, steckt den Rahmen für Verteidigung und die Ausgaben dafür deutlich weiter ab. Regierungschef Pedro Sanchez denkt dabei auch an Maßnahmen für den Klimaschutz oder gegen Umweltkatastrophen. „Was die einen unter Verteidigungsausgaben verbuchen“, kommentierte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die Debatte, „ist nicht das, was andere darunter verstehen.“
Metsola hat wiederum ihren eigenen Grund, sich über die aktuellen Pläne zur Finanzierung von Europas Aufrüstung zu ärgern. Schließlich hat die EU-Kommission das Parlament – eigentlich der Wächter über das Budget – mit einem rechtlichen Trick ausgebremst. Die Kredite für Militärausgaben werden unter Notfallmaßnahmen verbucht.
Wo längerfristig das Geld für die Verteidigung herkommen soll, auch darüber sind sich die Europäer noch nicht einig. Frankreich etwa drängt, auf gemeinsame EU-Schulden und wird dabei etwa von Griechenland unterstützt. Dessen Premierminister Kyriakos Mitsotakis meinte zum Gipfelauftakt, man solle bei der Finanzierung „ambitionierter“ sein und ernsthaft über diese EU-Schulden nachdenken. Das aber kommt für jene Länder, die traditionell eher auf Sparkurs sind, gar nicht in Frage.
Je deutlicher Forderungen dieser Art geäußert würden, meinte etwa ein niederländischer Diplomat, „desto deutlicher ist unser Nein“.
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