EU schwächt Klimaziele ab: Zu teuer für die Bürger, zu viel Bürokratie

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Ob die CO2-Besteuerung oder das geplante Verbot von Verbrennermotoren ab 2035: Vor dem EU-Gipfel dreht Brüssel an seinen grünen Regulierungen - angetrieben von Mitgliedsstaaten wie Österreich.

Der Warnruf ist laut und er kommt diesmal aus dem Osten. Eine Gruppe von EU-Staaten aus Ostmitteleuropa, angeführt von Polen, hat sich erst vor ein paar Tagen in einem öffentlichen Schreiben an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gewandt: Die neuen Regeln zur CO2-Besteuerung, kurz ETS2, die ab 2027 gelten sollen, müssten um drei Jahre verschoben werden.

Man befürchte "soziale, wirtschaftliche und politische Erschütterungen", vor allem in Mitgliedsländern mit einem hohen Risiko von "Energiearmut" und begrenzten Alternativen zum Auto. Eine berechtigte Sorge, wie in Brüssel viele eingestehen. Denn Heizen und Verkehr - wenn mit fossilen Brennstoffen betrieben - werden durch die ETS2-Regelungen deutlich teurer werden.

Die EU sucht nach Gegenmaßnahmen und frischem Geld

Grund genug also, dass das Thema auch beim EU-Gipfel am Donnerstag in der Tagesordnung zuletzt nach oben gerutscht ist. Schließlich haben auch Länder wie Österreich bereits Bedenken angemeldet. Allerdings drängt man nicht auf so radikale Maßnahmen wie die Osteuropäer, sondern auf eine Abfederung der erwarteten Preisanstiege. 

Die EU-Kommission arbeitet bereits an einem Maßnahmenpaket. Man will einerseits sofort gegensteuern, wenn der CO2-Preis zu stark steigt, andererseits soll ein sozialer Klimafonds eingerichtet werden, der vor allem den klimafreundlichen Umbau von Heizsystemen und den Umstieg auf emissionsfreie Kraftfahrzeuge erleichtern soll. 

Selbst die Grüne EU-Abgeordnete Lena Schilling meint, "dass wir diesen Umbau unseres Energieverbrauchs auch sozial besser hinkriegen müssen", allerdings hätte die Kommission bereits viele Jahre Zeit gehabt, um diese Maßnahmen sinnvoll planen zu können.

Die EU-Abgeordnete Lena Schilling

Die österreichische EU-Abgeordnete Lena Schilling (Grüne).

Geben aber müsse es den ETS, sind auch bürgerliche EU-Abgeordnete wie etwa der Deutsche Peter Liese (CDU) überzeugt. Das sei ein Kernstück der EU-Klimapolitik, ohne die man die Klimaziele, die man sich selbst gesteckt habe, nicht erreichen werde.

Doch wie locker nimmt die EU inzwischen ihre eigenen Klimaziele? Das ist - wenige Wochen vor dem UN-Klimagipfel in Brasilien - heftig umstritten. Seit Monaten herrscht in der EU-Kommission, dem EU-Parlament und zwischen den Mitgliedsstaaten ein Tauziehen um Zahlen. 

90 Prozent seines Kohlendioxid-Ausstoßes will Europa bis 2040 reduzieren, 2035 sollen es daher bereits rund um 70 Prozent sein. Doch auf diese Zahlen kann man sich bisher nicht festlegen, auch beim EU-Gipfel nicht. Die Gefahr, dass Europa, bisher - zumindest auf dem Papier - Musterschüler der Klimawende, beim UN-Klimagipfel nur mit vagen Formulierungen statt klaren Zielen antritt, wächst.

Eigentlich geht es beim EU-Gipfel um andere Themen

Dabei spielen Klimaziele in diesen Tagen in Brüssel und  auch beim EU-Gipfel nur eine Nebenrolle. Bürokratieabbau ist das Leitmotiv, nicht nur für die EU-Kommission. 19 EU-Staats- und Regierungschefs, darunter auch Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker, haben einen öffentlichen Brief an Ursula von der Leyen formuliert, in dem man verlangt, bei diesem Bürokratieabbau mehr Tempo zu machen. Der Abbau von überflüssigen, übertriebenen oder unausgewogenen Regelungen“ müsse endlich schneller und konsequenter vorangetrieben werden.

Doch auch bei diesem Umbau kommen reihenweise grüne Gesetze zu Fall. So hat man im EU-Parlament gerade ein Gesetz zur Waldüberwachung ins Aus befördert. Die Entwaldungsverordnung, die Produkte aus gerodeten Wäldern von Europas Märkten verbannen sollte, wurde zuerst verschoben und soll jetzt deutlich abgeschwächt werden. 

Vor allem Österreich hatte sich gegen das Gesetz stark gemacht - mit der Begründung, dass es heimische Forstwirte mit unnötiger Bürokratie überfordern würde, statt Regenwälder zu schützen. Ein erster Vorschlag der EU-Kommission ist der heimischen Holzwirtschaft weiterhin zu halbherzig.

Deutschland macht Druck auf das "Aus vom Verbrenner-Aus"

Noch stärker aber ist der Druck aus Deutschland, Österreich und anderen EU-Ländern auf ein weiteres Kernstück des "Green Deal", also der Klimagesetze der EU: Das geplante Aus für Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035

Seit Monaten macht sich der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz zum mächtigsten Wortführer dieses "Aus vom Verbrenner-Aus". Die EU-Kommission will den Plan bis zum Jahresende überprüfen - unter dem herrschenden politischen Druck aber scheint das Ergebnis vorgezeichnet: Der Verbrenner darf wohl einige Jahre länger leben.

Das Bremsen bei so vielen grünen Vorhaben missfällt nicht nur den Grünen. Man müsse den Umstieg auf klimafreundliches Heizen und Autofahren für die Menschen leichter und weniger kostspielig machen, meinen auch bürgerliche Politiker. Das Geld aus den sozialen Klimafonds solle rasch und vor allem gezielt ausgegeben werden. Es müsse um Klimaschutz gehen und nicht darum, die Kosten für die Bürger zu erhöhen.

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