Warum die UN-Klimapolitik auf der Intensivstation liegt

Bei der 80. UN-Vollversammlung Ende September in New York hatte US-Präsident Donald Trump unübersehbar Freude daran, den Delegierten aus aller Welt seinen fossilen Mittelfinger zu zeigen: Wer auf grüne Technologien setze, werde krachend scheitern und untergehen. Den Klimawandel bezeichnete er einmal mehr als den größten Betrug aller Zeiten. Dementsprechend sind die USA aus dem Klimarahmenvertrag der UNO ausgestiegen.
Die USA sind nach China der aktuell zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen, historisch sind sie mit Abstand der größte Emittent (verantwortlich für 25 Prozent des CO2 in der Atmosphäre). Trump führt inzwischen einen beispiellosen Kampf gegen die Klimaforschung und gegen jede Art von grüner Technologie, vor allem Windkraft.
Ein Blick auf den Rest der Welt bestätigt: 78 Prozent der weltweiten genutzten Energie sind fossil, Öl vor Kohle und Erdgas. Der Anteil sinkt – langsam. Wahr ist auch, dass saubere Energien in einem beispiellosen Tempo in das Energiesystem integriert werden, berichtet die Internationale Energiebehörde IEA. Der Ökostrom-Anteil dürfte sich bis 2030 weltweit fast verdreifachen (gegenüber 2023) und dieser dann mehr als die Hälfte der weltweiten Stromerzeugung (inklusive Atomkraft) ausmachen. Zudem sind Windkraft und vor allem Photovoltaik inzwischen die klar günstigste Form der Energieerzeugung.
Fossile Renaissance
Dennoch bleibt die Fossilindustrie weiter gut im Geschäft. Anfang November soll der neueste Ausblick der Internationalen Energieagentur veröffentlicht werden, Bloomberg berichtet, dass darin die neueste Analyse allen früheren Erwartungen eines baldigen Höhepunkts beim Verbrauch fossiler Energien widersprechen wird. Demnach rechnet der Bericht damit, dass die Nachfrage nach Öl- und Gas bis 2050 weiter steigen wird.
Auch Österreichs teilstaatliche OMV entwickelt derzeit zwei neue Gasprojekte, die für Hunderte Millionen Tonnen CO2-Ausstoß sorgen werden.
Unter diesen Voraussetzungen beginnt in 35 Tagen der 30. UN-Klimagipfel in Belém, Brasilien. Begangen wird dort das 10-jährige Jubiläum des Pariser Klimaabkommens. Das hatte im Kern das Versprechen der Staatenlenker, die Erderwärmung „deutlich unter 2 °C“ zu halten. Sanktionen bei Zuwiderhandeln waren nie vorgesehen, was nicht verwundern darf, schließlich braucht es für einen UNO-Gipfelbeschluss „Konsens“ aller 192 Teilnehmer.
Und weil eine echte Trendumkehr bei den weltweiten Treibhausgas-Emissionen oder der weltweiten Energieversorgung nach wie vor nicht gegeben ersichtlich ist, steuert die Welt auf eine horrible Erwärmung von mehr als 3 °C zu. Die internationale Klimapolitik befindet sich also einmal mehr auf der Intensivstation. Richten soll das jetzt der neue Präsident des UN-Klimagipfels, der brasilianische Diplomat André Aranha Corrêa do Lago. Er hat mehrere nahezu unmögliche Aufgaben vor sich: Erstens muss er die Staaten dazu bringen, Klimaschutzmaßnahmen zu beschleunigen, indem die 2035-Klimapläne (NDCs) nachgebessert werden. Und zweitens muss er dafür sorgen, dass die großen Fördertöpfe der UN-Klimapolitik, vor allem jener zur grünen Energiewende und jener zur Abmilderung bereits eingetretener Klimaschäden („Loss and damage“) rascher mit Milliarden gefüllt werden.
Riesige Emissionslücke
Wie groß das Problem ist, zeigt die Analyse der bestehenden NDCs. 70 Prozent der Staaten haben noch kein Klimaziel für 2035 eingemeldet. Deshalb gehen die Berechnungen der NGO climatewatch (externer Link) davon aus, dass bis 2035 der Treibhausgas-Ausstoß um etwa 1,4 Milliarden Tonnen sinken könnte – von derzeit fast 60 Milliarden Tonnen jährlich. Damit die Welt aber eine Chance auf eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C behalten kann, wäre eine Reduktion um knapp 30 Milliarden Tonnen notwendig.
Durch das Aus der USA rücken die Europäer, die sich ohnehin gerne als Klima-Vorreiter sehen, und China in den Fokus. Chinas Präsident Xi Jinping hatte am Tag nach Trumps Rede vor den Vereinten Nationen per Videobotschaft in New York sein Land China als verlässlichen Akteur der internationalen Klimapolitik positioniert, mit dem klaren Unterton, dass andere, implizit die USA, schwächeln oder aussteigen. Dennoch sind die Beziehungen der EU mit Peking derzeit schwer belastet – etwa durch die chinesische Unterstützung von Russland.
Klima-Experte Johannes Wahlmüller von Global 2000 hat einen nüchternen Blick Richtung Belém: „Die Ausgangslage ist extrem schwierig. Zeit, etwa zum Erreichen des 1,5 °C-Ziels, bleibt uns kaum. Jetzt geht es darum, ob die Pariser Klimaziele noch am Leben sind – oder wir sie begraben müssen.“
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