Zusammenstöße in Jerusalem nach Beginn der Nahost-Waffenruhe

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Beide Seiten interpretieren die fragile Feuerpause als "Sieg", Spannungen in Jerusalem halten an.

Erleichterung und Skepsis nach Waffenruhe in Nahost

Im Gazastreifen ist die Erleichterung groß. Noch in der Nacht liefen Tausende Menschen auf die Straßen und feierten. Sie machten ihrer Erleichterung über das Ende des Schreckens mit Feuerwerk, Schüssen in die Luft und "Allahu akbar"-Rufen Luft.

Mehr als 72.000 Palästinenser waren aus ihren Häusern im Gazastreifen vertrieben worden. Viele von ihnen kehrten bei Tagesanbruch zurück in ihre Viertel - in einer Mischung aus Trauer, Erleichterung und Wiedersehensfreude.

Das israelische Militär hob indes die Sicherheitsbestimmungen für die Bevölkerung im Süden des Landes wieder auf. Die Menschen im Gebiet an der Grenze zum Gazastreifen waren vom Raketenbeschuss der islamistischen Hamas und ihrer Verbündeten besonders hart betroffen. Allein am Donnerstag harrten sie die meiste Zeit des Tages in Luftschutzräumen aus.

Ausschreitungen in Jerusalem

Elf Tage hatte die Eskalation des Konflikts zwischen militanten Palästinenserorganisationen und der israelischen Armee Zivilisten auf beiden Seiten in Angst versetzt. Bislang scheint der Waffenstillstand, der am Donnerstagabend beschlossen wurde und in der Nacht um 2 Uhr Ortszeit begann, zu halten.

Beide Seiten versuchen, die vergangenen Tage als Sieg zu deklarieren. Als "Sieg des palästinensischen Willens" feiern Menschen in Gaza die Waffenruhe. Die Hamas hatte in einem Ultimatum am 10. Mai Israel aufgefordert, die Al-Aqsa-Moschee und palästinensische Wohngegenden in Ostjerusalem in Ruhe zu lassen. Dort, im Viertel Sheikh Jarrah, hatten die Behörden umstrittene Zwangsräumungen für arabische Familien angekündigt, die die Wogen hochkochen ließen.

Genau dort blickten auch die Beobachter am Freitag wieder hin. Denn vor allem in Sheikh Jarrah blieben die Spannungen hoch. In Jerusalem kam es zu Demonstrationen nach dem Freitagsgebet, vor der Moschee kam es zu Tumulten.

Palestinians shout slogans at the compound that houses Al-Aqsa Mosque in Jerusalem's Old City

Laut Al Jazeera stürmte die israelische Polizei den Platz vor der Al Aqsa und feuerte Gummigeschosse und Blendgranaten in Richtung Palästinenser. Zeugen berichteten, einige Menschen waren nach dem Freitagsgebet geblieben, um den Waffenstillstand zu "feiern". Die Polizei behauptet, es habe "Unruhen" gegeben.

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Auf israelischer Seite musste sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wütenden Anschuldigungen seiner rechten Basis stellen, den Beschuss zu früh gestoppt zu haben. Die Regierung in Israel behauptete jedenfalls, der Hamas mit Hunderten von Luftangriffen schweren Schaden zugefügt zu haben. Man habe eine unterirdische Mauer entlang der Grenze fertiggestellt, die Angriffstunnel so gut wie unmöglich macht, außerdem habe man mehrere Verteidigungstunnel zerstört: "Die Hamas kann sich nicht mehr verstecken."

Israels Premier dankte US-Präsident Joe Biden für dessen Unterstützung. Laut Medienberichten soll Netanjahu nur unter dem Druck der USA zu der Waffenruhe bereit gewesen sein.

Wie die Washington Post berichtet, stellten beide Seiten die Vertragsbedingungen im Nachhinein unterschiedlich dar. Während Israel sagte, dass das Abkommen keine Voraussetzungen beinhaltete, sagte die Hamas, Israel habe zugestimmt, seine aggressiven Aktionen in Sheikh Jarrah und der Al-Aqsa-Moschee einzustellen.

"Beide haben Recht auf Freiheit"

Die Europäische Union bot am Freitag ihre Unterstützung bei der Suche nach einer dauerhaften Friedenslösung an. Diese dürfte aber noch in weiter Ferne liegen. "Die Wiederherstellung eines politischen Horizonts für eine Zwei-Staaten-Lösung bleibt von größter Bedeutung", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die EU wolle dafür auch ihr Engagement innerhalb des wiederbelebten Nahost-Quartetts ausbauen. Dieses besteht aus den USA, Russland, der EU und den Vereinten Nationen (UN). US-Außenminister Antony Blinken will in Kürze in die Region reisen, wie in Israel verlautete.

"Ich glaube, die Palästinenser und Israelis haben es gleichermaßen verdient, sicher und geborgen zu leben", sagte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag in einem kurzen Statement im Weißen Haus. Beide hätten das Recht, "ein gleiches Maß an Freiheit, Wohlstand und Demokratie zu genießen".

Die USA will laut Regierungskreisen am Wiederaufbau des Gazastreifens tatkräftig mitwirken. Die finanzielle Unterstützung soll auch Druck auf die militante Hamas ausüben bzw. ihr sprichwörtlich das Wasser abgraben. Ein hochrangiger Beamter der Biden-Regierung sagte der New York Times, die Vereinigten Staaten wollen eine internationale Hilfsallianz aufbauen, die höchstwahrscheinlich Milliarden von Dollar kosten werde.

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