Mission impossible: EU und Türkei suchen den "Weg nach vorne"
„Bis der letzte Terrorist vernichtet ist“, hatte Recep Tayyip Erdoğan gesagt, wolle man in der syrischen Region Afrin kämpfen. Nun könnte sein Ziel erreicht sein. In der Kurden-Enklave kehrten gestern die ersten Einwohner wieder in ihre Häuser zurück. Seit Mit te Jänner lief die schwer umstrittene „Operation Olivenzweig“ gegen die Kurdenmiliz YPG auf syrischem Bo den. Diese sieht Ankara als Ableger der verbotenen und als Terrorgruppe eingestuften kurdischen Arbeiterpartei PKK, die immer wieder auf türkischem Boden für Anschläge sorgt. Somit sei der Armeeeinsatz in Afrin als „Kampf gegen den Terrorismus“ gerechtfertigt.
Brüssel sieht das aber nicht so. Die EU, konkret auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron kritisierten die Offensive. Die EU drängt auf einen Rückzug der türkischen Truppen.
Gemeinsamkeiten
Eigentlich wollte man heute, Montag, in Warna versuchen, sich auf die Gemeinsamkeiten zu konzentrieren, wenn Präsident Erdoğan mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk zusammentrifft. Zehn Monate hatte es kein hochrangiges Treffen gegeben, man suche den „Weg nach vorne“, sagte Tusk. Doch die Themen, die auf der jeweiligen Seite brennen, sind sehr unterschiedlich. Der EU geht es um das Ende der Gewalt in Afrin, um in der Türkei inhaftierte EU-Bürger, Menschenrechtsverletzungen und um die umstrittenen türkischen Gasbohrungen vor der Küste Zyperns.
Ankara auf der anderen Seite will Bewegung in der Visafreiheit und eine Vertiefung der Zollunion. Beides steht aber nicht auf dem Me nü, das die EU nach Bulgarien mitbringt.
In der Türkei herrscht außerdem Frust über die stockenden Beitrittsverhandlungen mit der EU. Seit 2005 ist man zwar offizieller Beitrittskandidat – die Kriterien für eine Mitgliedschaft sind aber nicht erfüllt. Für April wird ein neuer Fortschrittsbericht zur Türkei erwartet, der erhebliche Rückschritte bei Bürgerrechten, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit konstatieren dürfte.
Winter (ORF) über das EU-Erdogan-Treffen
Druckmittel
Ein entscheidendes Druckmittel der Türkei hat an Gewicht verloren: der Flüchtlingsdeal von 2016. Hatten die EU-Spitzen Juncker, Tusk und Merkel Präsident Erdoğan 2015 noch hofiert, um den Deal zu erreichen, werden die mahnenden Stimmen in Richtung Erdoğan jetzt wieder lauter.
Zwar gab es in den vergangenen Monaten auch Fortschritte, etwa die Freilassung des deutsch-türkischen Journalisten Denis Yücel. Doch die EU-Staaten warfen der Türkei am Freitag „fortgesetzte illegale Handlungen“ im Streit um die Gasförderung bei Zypern vor. Auch zwei festgenommene griechische Soldaten sowie der Zwist um eine Inselgruppe in der Ägäis erschwert die Annäherung.
Bulgariens Premier Boiko Borissow, der den Gipfel ausrichtet, spricht wohl auch den anderen EU-Vertretern aus der Seele, wenn er von einem „schwierigen Treffen“ redet.
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