EU steigt zaghaft auf die Gasbremse - Warum die Preise trotzdem fallen

Arbeiter am Gasknotenpunkt Baumgarten
Ein gemeinsamer Gaseinkauf und ein Preisdeckel rücken in der EU näher. Ein Durchbruch ist das nicht. Doch Preise beginnen zu sinken,

Wenn sich der sonst emotional so sparsame deutsche Kanzler Olaf Scholz zu einem „Wir haben uns zusammengerauft“ hinreißen lässt, klingt das beinahe nach einer Jubelmeldung: Nach zehnstündigem Ringen bis zwei Uhr Früh haben sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am Freitag auf einen „Deal zum Thema Energie“ geeinigt, wie auch EU-Ratspräsident Charles Michel berichtete.

EU steigt zaghaft auf die Gasbremse - Warum die Preise trotzdem fallen

Doch was bedeutet das? Und vor allem:

Werden die Energiepreise jetzt spürbar sinken? Den großen Durchbruch hat der EU-Gipfel gestern nicht erzielt, eher einen Fahrplan vorgelegt. Bis die geplanten Maßnahmen umgesetzt werden, kann es noch bis zum Frühling dauern. Erst Ende November dürfte der echte Startbefehl kommen. Aber nicht zu unterschätzen ist: Allein schon das Signal, dass die EU-Staaten in der Energiefrage gemeinsam handeln und erstmals kleinere Markteingriffe in den deregulierten EU-Energiemarkt planen, könnte die Gaspreise ein Stück herunter bringen. Dies gilt als Zeichen der Beruhigung an die Märkte und der erhofften Abschreckung für Spekulanten.

Kommt nun ein Preisdeckel auf Gas oder nicht? Einen generellen Preisdeckel wird es vorerst nicht geben. Deutschland, aber auch Österreich fürchten, dass es dadurch zu Gasengpässen kommen könnte. Aber angedacht ist nun eine Art Spezial-Deckel: Immer dann, wenn es zu extremen Gaspreissprüngen kommt. Etwa, wenn eine Pipeline ganz ausfällt oder Katastrophen das Angebot plötzlich verknappen. Es wäre eine jeweils auf drei Monate begrenzte Maßnahme.

Was ist das Problem mit so einem Mini-Deckel? Niemand hat mit so einem Vorgehen Erfahrung, niemand weiß, wie hoch der Preisdeckel angesetzt werden soll. Denn verhindert werden muss auf alle Fälle, dass LNG-Tanker von Europa abdrehen und höhere Anbieter in Asien ansteuern.

Was tut sich beim „iberischen Modell“, für das Kanzler Nehammer beim EU-Gipfel kämpfte? Spanien und Portugal haben den Gaspreis für die Stromerzeugung gedeckelt. Die Staaten tragen die milliardenschwere Differenz zum Marktpreis. Der über Gas erzeugte Strom wurde für die Konsumenten so zwar billiger, doch gleichzeitig stieg der Verbrauch. Außerdem floss viel des von spanischen Steuerzahlern subventionierten, billigeren Stroms nach Frankreich ab. Wofür sich Nehammer einsetzt, ist eine europaweite Deckelung des Gaspreises, der für die Gewinnung von Strom benötigt wird. Die EU-Kommission wurde nun beauftragt, solch ein Vorgehen zu prüfen.

Dagegen gibt es Widerstand – warum? Gegen das „iberische Modell“ legen sich Deutschland, die Niederlande, Dänemark und Schweden quer. Zum Teil ist die Frage: Wer soll dafür aufkommen? Neue, gemeinsame Schulden in der EU werden abgelehnt. Zum Teil wird es als ein zu massiver Eingriff in den Energiemarkt erachtet.

Wird künftig auch europaweit gemeinsam Gas eingekauft wie schon bisher bei Corona-Impfstoffen? Nur zu einem kleinen Teil: Die ersten 15 Prozent des Volumens der europäischen Gasspeicher sollen nächstes Jahr über gemeinsame Einkäufe laufen. Brüssel stellt dabei eine Einkaufsplattform zur Verfügung, private Energiekonzerne sollen dann im Auftrag der EU einkaufen. Dies soll verhindern, dass die Staaten bzw. deren Unternehmen bei ihren Einkaufstouren jeweils gegenseitig die Preise hochtreiben.

Haben die hohen Preise nur mit Russlands Energiekrieg gegen Europa zu tun? Nicht nur: Auch die Dürre, also der Klimawandel, hat heuer alles verschlimmert. Viele Wasserkraftwerke in Südeuropa konnten nicht ausreichend Strom liefern, auch Frankreichs Atomkraftwerke fielen wegen der niedrigen Wasserstände zur Hälfe aus. Dadurch kam es in ganz Südeuropa zu enormen Stromknappheiten – und das trieb die Preise im ganzen europäischen Strombinnenmarkt nach oben.

Wo stehen die Gaspreise in Europa jetzt? Seit ihrem Höchststand im August sind die Gaspreise um fast zwei Drittel gesunken. Derzeit liegen sie laut europäischer Gasbörse TTF in Rotterdam bei rund 120 Euro pro Megawattstunde. Das ist aber noch immer das Vierfache des Preisniveaus von vor einem Jahr. Die Preise sinken jedoch weiter: Die EU-Gasspeicher sind nun im Schnitt zu 95 Prozent gefüllt. Fällt der Winter nicht allzu hart aus und werden mindestens wie vorgegeben 15 Prozent des Gasverbrauchs eingespart, ist die Versorgung laut Experten bis April gesichert.

Wie viel Gas kommt derzeit noch aus Russland?Europaweit sind es sieben Prozent des Bedarfs, in Österreich noch rund 50 Prozent.

Da war doch was mit Übergewinnen der Energiekonzerne? Auf eine Gewinnabschöpfung bei Zufallsgewinnen hat sich die EU schon Ende September geeinigt. Auf 180 Euro pro Megawattstunde werden die Einnahmen von Stromproduzenten gedeckelt. Die Differenz zwischen diesem Wert und dem Marktpreis fließt an den Staat. Der soll damit Hilfen für Haushalte und Unternehmen finanzieren.

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