Wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs diesen Freitag über die 750 Milliarden Euro schwere Wiederaufbauhilfe für die EU beraten, wird Tschechiens Premier Andrei Babis mitentscheiden: Wohin sollen die dringend benötigten Gelder fließen?
Jedenfalls sicher nicht in den tschechischen Agrofert-Konzern – so lange nicht gesichert sei, dass Babis dort nicht weiterhin über zwei Treuhandfonds Einfluss nehme. So sehen dies zumindest fast alle Fraktionen des EU-Parlaments. Seit Jahren ist das europäische Abgeordnetenhaus auf vollem Konfrontationskurs mit dem streitbaren tschechischen Premier.
Am Freitag dieser Woche wollen die Abgeordneten mit voraussichtlich großer Mehrheit eine Resolution gegen Babis verabschieden.
„Er soll entweder als Premier zurücktreten oder er muss auf sämtliche EU-Subventionszahlungen für Agrofert verzichten“, fordert die Delegationsleiterin der ÖVP-EU-Mandatare Angelika Winzig. Der frühere Unternehmer Babis, der mit dem Agrar- und Chemieunternehmen Agrofert extrem reich wurde, soll für sein Wellness-Resort „Storchennest“ zu Unrecht EU-Förderungen in Höhe von 1,9 Millionen Euro bezogen haben.
Mit den Anschuldigungen beschäftigte sich auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung Olaf. Das Geld wurde mittlerweile zurückbezahlt.
Doch aus Sicht der EU-Abgeordneten bleibt ein massiver Interessenskonflikt bestehen: So hat der Milliardär zwar vor drei Jahren offiziell den Konzernvorsitz über 230
Unternehmen mit insgesamt 34.000 Beschäftigten abgegeben.
Doch über Treuhandfonds in Großbritannien sollen Babis und seine Frau weiterhin entscheidenden Einfluss auf den Konzern ausüben.
„Handfesten Machtmissbrauch“ sieht darin der EU-SPÖ-Abgeordnete Hannes Heide. Wie in der Parlamentsresolution gefordert pocht auch er auf die Einführung eines Systems, das auch die Hintermänner in Konzernen und somit die wahren Empfänger von EU-Geldern deutlich macht.
In den vergangenen sieben Jahren hat Agrofert mehr als 50 Millionen Euro an Agrar- und Regionalförderungen aus Brüssel erhalten. Als Premier ist Babis weiter bei der Verteilung von EU-Mitteln involviert.
Der Unmut über Babis wacht auch in Tschechien wieder auf. Vergangene Woche demonstrierten in Prag 500 Menschen – mehr Demonstranten durften sich wegen der strengen Corona-Abstandsregeln nicht in der tschechischen Hauptstadt versammeln. Bei den Anti-Regierungsprotesten im November waren mehrere Hunderttausend in Prag auf der Straße gewesen.
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