EU-Mercosur: Was Sie über die Freihandelszone wissen müssen
Rindfleisch aus Brasilien und Argentinien gegen Autos aus Deutschland – das ist die stark vereinfachte Formel, die hinter dem Deal für die künftig größte Freihandelszone der Welt steht. Auf den Tag genau zwanzig Jahre nach dem Start der Verhandlungen haben sich die EU und die vier Staaten des Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) am Wochenende auf ein Handelsabkommen geeinigt (Mercosur steht für Mercado Común del Sur: Gemeinsamer Markt Südamerikas).
Doch Widerstand regt sich, Landwirte und Klimaschützer warnen. Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen:
Das bisherige Handelsvolumen zwischen EU und Mercosur war bescheiden, 88 Milliarden Euro im Vorjahr. Warum ist es dann eine „Freihandelszone der Superlative“?
Beide Wirtschaftsblöcke zusammen umfassen gut 770 Millionen Menschen. Die bisher weltgrößte Freihandelszone war jene zwischen der EU und Japan, mit 640 Millionen Menschen. Durch den Wegfall von Zöllen werden sich europäische Exporteure künftig jährlich über vier Milliarden Euro sparen. Die Abgaben sind derzeit extrem hoch: So sind etwa in Brasilien für aus der EU importierte Autos 35 Prozent oder für europäische Weine 27 Prozent Zoll zu berappen.
Auch die EU wird ihren Markt öffnen. Müssen die Viehzüchter der EU massenhafte südamerikanische Rindfleischimporte fürchten?
Vorerst gibt es Quoten: Die jährlichen Rindfleischeinfuhren in die EU dürfen 99.000 Tonnen nicht übersteigen. Einfuhrlimits werden auch für Geflügel und Ethanol festgesetzt. Viele europäische Bauern befürchten dennoch, dem Wettbewerb mit den Agrargroßmächten Brasilien und Argentinien nicht gewachsen zu sein. Im Gegensatz zu anderen Branchen gilt der Agrarsektor in Südamerika als ausgesprochen wettbewerbsstark. Das sieht man auch in Brüssel so, verspricht den Bauern Kompensationen und verweist auf die Quoten. Zudem hat die EU den Schutz von 357 geografischen Angaben ausgehandelt. So darf etwa unter dem Namen „Tiroler Speck“ im Mercosur-Raum nur noch das Original vermarktet werden.
Und wie sieht man den Deal in Österreich?
Bauern, Grüne, SPÖ und Gewerkschafter kritisieren den Handelsdeal. Industrie und Wirtschaftskammer sehen das Abkommen hingegen als einen „Türöffner“ für mehr Wachstum und Arbeitsplätze. Jährlich werden hierzulande Agrarwaren im Wert von 160 Mio. Euro aus dem Mercosur-Raum importiert. Dem stehen Agrar-Exporte von 40 Mio. Euro gegenüber – das sind allerdings überwiegend Energydrinks. Insgesamt beliefen sich die österreichischen Exporte in den Mercosur auf rund eine Milliarde Euro.
Umweltschützer sehen in dem Abkommen eine Art „Klimakiller“. Was ist dran an diesem Vorwurf?
Das Abkommen zielt darauf ab, den Agrarhandel – besonders jenen mit Rindfleisch und Soja – auszuweiten. Dies sei geradezu ein Freifahrtschein dafür, den Regenwald in Brasilien weiter abzuholzen und dadurch die Klimakrise zu verschärfen, fürchten Umweltaktivisten. Sie verweisen dabei auf den weltgrößten Fleischverarbeiter JBS, einen weltweiten, brasilianischstämmigen Konzern. JBS soll demnach pro Jahr mehr Treibhausgase emittieren als die gesamten Niederlande. Zwar wurde in das Handelsabkommen ein Nachhaltigkeitskapitel eingearbeitet. „Nichts als ein Feigenblatt“, sagen dazu Klimaschützer, denn Sanktionen seien keine vorgesehen.
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