Leitl über EU-Klimaschutz: "Bin gegen schöne Absichtserklärungen"
Ein Positionspapier der EU-Wirtschaftskammer „Eurochambres“ zum Klimaschutzgesetz der EU sorgt für Wirbel. Im Gespräch mit dem KURIER warnt Eurochambres-Präsident Christoph Leitl vor überschießenden Zielen.
KURIER: Wie wird den die Klimakrise von Eurochambres, als dessen Präsident Sie hier sprechen, gesehen?
Christoph Leitl: Klimaschutz ist eine absolute Notwendigkeit für nachfolgende Generationen und liegt daher auch in der Verantwortung der Wirtschaft, die in diesem Sektor ja der Pionier für Innovation ist. Wer soll denn sonst Lösungen auf den Tisch legen?
Notwendigkeit auch im Lichte der Coronakrise?
Natürlich, da ist das eine Ergänzung. Wenn wir einen Wiederaufbau schaffen wollen, sind die Stützpfeiler Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung. Die EU-Wirtschaft habe ich auf dieses Ziel fokussiert und da stehen auch alle dahinter. Wenn es uns gelingt, jede Ressource, die wir der Natur entnehmen, wieder zurückzuführen, sind wir wieder einen entscheidenden Schritt weiter.
Wie passt das zusammen mit dem Lobbypapier der Eurochambres. Da fällt gleich einmal auf, dass das Wort „Klimanotstand“ aus dem Gesetzestext gestrichen werden soll.
Ich bin gegen schöne Worte und schöne Absichtserklärungen. Und ich bin dagegen, dass man das Papier falsch interpretiert. Die Notwendigkeit einer Innovation ist klar, auch die Umsetzung, die betrifft aber die ganze Gesellschaft, nicht nur die Wirtschaft. Wir fordern, dass man sich nicht nur ein Ziel setzt und sich dann zurücklehnt, sondern das Ziel muss abgearbeitet werden. Da braucht es einen Masterplan, wo diese Ziele heruntergebrochen werden können, jährliche Teilziele und konkrete Schritte.
Aber auch das konkrete Ziel bis 2030, minus 65 Prozent will das EU-Parlament, soll laut der Stellungnahme von Eurochambre gestrichen werden. Warum?
Wir haben ein Ziel bis 2050. Das 2030-Ziel heißt derzeit minus 40 Prozent CO2, jetzt einfach willkürlich ein Teilziel zu erhöhen, darüber kann man sicher diskutieren, aber nicht einfach verordnen. Jene, die das verordnen wollen, die haben keine Ahnung, wie das auch erreicht werden soll. Da müssen wir alle einbinden. Wenn das passiert, kann man als Ergebnis vielleicht minus 65 % haben, vielleicht auch nur minus 55% . So aber wird das Pferd von hinten aufgezäumt.
Wir kennen das Problem seit den 1990er-Jahren und haben noch immer keinen Gesamtpfad oder Teilziele?
Diese Kritik eint uns. Nach der Pariser Klimakonferenz habe ich schon verlangt einen jährlichen Fortschrittsbericht zu machen mit klaren Ergebnissen, und einem Ranking wer das gut und weniger gut umsetzt.
Propagiert wird im Lobbypapier auch die Technologie-Neutralität, was nur heißt, dass Atomkraft als CO2-freie Technologie gleichrangig gefördert werden soll. Sollte man die Atomkraft stärken?
Man muss realistisch sein, die alleinige Kompetenz bei der Energieerzeugung liegt bei den Mitgliedsstaaten der EU. Da kann eine EU-Wirtschaftskammer nichts dazu sagen, es gibt ja unterschiedliche Meinungen dazu, etwa von den Franzosen oder Tschechen. Aber obwohl es uns berührt, ist es nicht unser Thema sondern eine rein nationale Entscheidung
Soll die Atomkraft gleich gefördert werden wie die Solar- oder Windkraft?
Aus meiner Sicht ein klares Nein. Aber ich habe nur eine Sicht, ich kann mir durchaus vorstellen, dass es hier auch auf politischer Ebene heftige Diskussionen geben wird. Mein Zugang ist der, dass eine Technologie, die nicht zu Ende gedacht ist, nicht verantwortungsvoll ist. Daher nein zur Atomkraft, das Zeug strahlt ja dann noch 5000 Jahre lang und das ist nicht verantwortungsvoll.
Gestrichen wird auch der sozial „gerechte Umstieg“, der Begriff wird ersetzt durch „Wirtschaftlichkeit“.
Definieren Sie mir, was gerecht sein soll, dann kann ich Ihnen sagen, ob ich dafür bin, oder nicht. Das ist so eine politische Duftmarke. Gerechtigkeit wäre für mich, Klimaneutralität bis 2050 und alle Teile haben dazu ihren Beitrag zu leisten. Das Bewusstsein dafür müssen wir überall, auch in der Wirtschaft, noch stärken, das gestehe ich ein.
Sie sprechen immer vom 2050-Ziel, was ist das aus Ihrer Sicht?
Klimaneutralität, das heißt nicht mehr CO2 emittieren als wir einsparen können. Das ist das Ziel der EU-Kommission, und das wird von uns unterstützt, unter der Voraussetzung, dass wir nicht nur ein Ziel hochhalten, dem alle applaudieren, sondern das umgesetzt wird. Gerade die Coronakrise sehe ich als Chance, das kreative Potenzial des Kontinents dafür zu aktivieren.
Der steirische EU-Abgeordnete Thomas Waitz sagt: "Die Industrie nimmt die Covid19-Krise als Vorwand, um sich jeglicher Verpflichtung im Kampf gegen die Klimakrise zu entziehen.“ Was entgegnen Sie?
Wenn sich der Herr Abgeordnete Waitz und andere dafür engagieren wollen, haben sie in mir einen wirklich konstruktiven, seriösen Gesprächspartner. Dann wollen wir sprechen über einen Masterplan für die Kreislaufwirtschaft und für Klimaneutralität. Die Schwierigkeit ist, dabei wirklich alle einzubinden, auch die Konsumenten, das betrifft Hausbrand, den Verkehr oder das Plastik.
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