EU-Klimagesetz ist für Thunberg "eine Kapitulation"
So etwas kommt bei der wöchentlichen Besprechung der EU-Kommissare und ihrer Chefin Ursula von der Leyen nie vor – Aussenstehende, die mitreden dürfen. Für Greta Thunberg aber wurde am Mittwoch eine Ausnahme gemacht. Die schwedische Aktivistin war dabei, als die Kommission heute das Herzstück ihres „Green Deals“ präsentierte: das EU-Klimagesetz. Und was die Kommissare dabei zu hören bekamen, war alles andere als Zustimmung.
Das europäische Klimagesetz soll die Grundlage bilden für die künftige europäische Wirtschaft, die damit ein klares Ziel verordnet bekommt: Bis 2050 muss Europa klimaneutral sein.
Widerstand vieler Regierungen
Zentraler Punkt im Entwurf für das EU-Klimagesetz ist neben der verbindlichen Festlegung des Ziels für 2050 ein Mechanismus zur Umsetzung: Die EU-Kommission will nach 2030 alle fünf Jahre regelmäßig Zwischenziele nachschärfen.
Das dürfte vor allem jene Staaten wenig freuen, die wie etwa Polen vor einer gewaltigen Herausforderung bei der Umstellung ihrer Energiegewinnung stehen. Widerstand vieler Regierungen ist also zu erwarten.
Dagegen fordert die Kommission mehr Befugnisse –und geht damit geradewegs in einen Machtkampf mit den EU-Regierungen und dem Parlament.
"Weder ambitioniert noch ausreichend"
Umweltschützern, aber auch grünen Parteien ist der Klimagesetzesvorschlag viel zu zahm. Sie bemängeln, dass jetzt noch kein schärferes Ziel für 2030 gesetzt wird. Ein Vorschlag dazu ist erst für September geplant.
„Der Vorschlag der Kommission ist weder ambitioniert noch ausreichend“, sagt Thomas Waitz, grüner Abgeordneter im EU-Parlament. „Die EU muss die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 begrenzen.“
Österreich fordert mehr
Aber auch die österreichische Regierung verlangt mehr, als das Gesetz nun bietet: Neben elf anderen EU-Ländern forderte sie die EU-Kommission in einem Brief auf, an Tempo zuzulegen: „Es ist entscheidend, dass die EU hier weltweit Führung zeigt“, heißt es in dem Schreiben an EU-Kommissionsvizechef Frans Timmermans.
Deshalb müsse sich die EU schon deutlich vor der nächsten Klimakonferenz im November im schottischen Glasgow auf neue Ziele für 2030 einigen. Unterzeichnet haben das Schreiben neben Umwelministerin Gewessler auch die Minister aus Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Slowenien, Spanien und Schweden.
Bisher gilt das EU-Ziel, die klimaschädlichen Treibhausgase bis 2030 um 40 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken. Die EU-Kommission erwägt eine Verschärfung auf 50 bis 55 Prozent, will aber vorher die Folgen genau prüfen. Doch das birgt viel Potenzial für Streit: So müssen schnell Auflagen für Industrie, Verkehr oder Heizungen nachgeschärft werden.
„Ambitionierte Zwischenziele für 2030 und 2040“ vermisst auch der SPÖ-EU-Abgeordnete und Umweltexperte Günther Sidl im neuen Klimagesetz. „Nur so können wir überprüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und gegenfalls rechtzeitig gegensteuern.“
Mit der drastischen Senkung der Klimagase soll die Erwärmung der Erde bei einem verträglichen Maß gestoppt werden, wie es auch im Pariser Abkommen von 2015 vorgesehen ist. Nötig ist dafür ein umfassender Umbau der Wirtschaft und die Abkehr von Öl, Kohle und Gas.
Greta Thunberg aber ist und bleibt höchst unzufrieden. Sie sieht das Klimagesetz als „Kapitulation“ vor der Herausforderung der globalen Erwärmung. Die mit dem Gesetz geplante Festlegung auf ein „klimaneutrales“ Europa bis 2050 sei eine Scheinlösung, schrieb Thunberg gemeinsam mit anderen Aktivisten in einem offenen Brief an die EU-Kommission. Vielmehr sei sofortiges Handeln nötig.
Das CO2-Budget werde völlig ignoriert, heißt es weiter. „Das muss sich in dieser Minute ändern.“ Sich auf die Zielmarke 2050 zu konzentrieren, bedeute aufzugeben. „Wir brauchen nicht nur Ziele für 2030 oder 2050“, schrieb Thunberg. „Wir brauchen sie vor allem für 2020 und jeden Monat und jedes Jahr, das nun folgt.“
Nach ihrem Besuch in der Kommission wollte die 17-Jährige auch mit Abgeordneten des Umweltausschusses im EU-Parlament diskutieren.
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