EU-Gipfel ringt um Zusage Osteuropas zum "Grünen Deal"

EU-Gipfel in Brüssel: Ratspräsident Michel, Kanzlerin Bierlein, Kommissionschefin von der Leyen, Belgiens Regierungschefin Wilmes und Deutschlands Kanzlerin Merkel
Spannungen in Brüssel: Tschechiens Premier ärgert sich über Österreich, aber Kanzlerin Bierlein stemmt sich gegen EU-Förderung für Atomstrom.

Wie lässt sich die grüne Wende in Europa anschieben? Nur gegen gewaltige Widerstände. Diese Erfahrung musste die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Donnerstag gleich am ersten Tag ihres ersten EU-Gipfels in Brüssel machen.

Der Gegenwind blies schon, da waren noch nicht einmal alle EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel eingetroffen.

Dabei sind sich grundsätzlich alle einig: Europa soll bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden, wie es der ehrgeizige „Green deal“ der EU-Kommission vorsieht. Woran es allerdings lange hakte, war die Zustimmung Polens, Ungarns und Tschechiens. Alle drei Staaten beziehen einen Großteil ihrer Energie aus Kohle oder Gas – und sehen sich nur mit riesiger finanzieller Hilfe in der Lage, auf erneuerbare Energieträger umzusteigen. „Es geht also auch wieder einmal ums Geld“, schildert ein EU-Diplomat „und um die Frage, wie genau diese finanzielle Unterstützung aussehen soll.“

EU-Gipfel ringt um Zusage Osteuropas zum "Grünen Deal"

Der grüne Deal der Kommission sieht den Umstieg auf erneuerbare Energieträger vor

Feilschen ums Geld

Ohne die Zustimmung Ungarns, Polens und Warschaus gibt es keinen „Green deal“ – aber ohne den Klimaplan der Kommission fließen auch keine Milliarden. Und so hielt das Feilschen um Geld und um eine möglichst neutrale, für alle Seiten akzeptable Formulierung der Gipfel-Schlusserklärungen bis in die Nacht an.

100 Milliarden Euro will die EU allein in einem Fonds für den Übergang von fossilen- auf erneuerbare Energieträger bereitstellen. Insgesamt rechnet die Kommission mit Investitionen von über 1000 Milliarden Euro, bis Europa nicht mehr Treibhausgase ausstößt, als es auch (etwa durch Wälder) absorbiert.

Eine zweite Front

Im europäischen Kampf gegen den Klimawandel aber geht auch eine zweite Front auf, an der Österreich und Luxemburg weitgehend allein gegen die anderen EU-Staaten stehen: Da positioniert sich die Phalanx der Atomkraft-Befürworter gegen deren Gegner.

Wo nukleare Energie draufsteht, ist nichts Grünes drinnen, beharren die Regierungen in Wien und Luxemburg. Und Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein bekräftigte einmal mehr: „Österreich lehnt Atomenergie klar ab. Sie ist weder sicher noch nachhaltig.“

Damit steht für Österreich aber auch fest: Kein einziger, von europäischen Steuergeldern finanzierter Euro soll in die Förderung von nuklearen Projekten fließen. Also auch nicht in jenen 100-Milliarden-Übergangsfonds, der den osteuropäischen Staaten helfen soll.

Babis ärgert sich

Das wiederum ärgert Tschechiens Premier Babis. „Ich verstehe diesen Zugang Österreichs nicht. Das ist sehr seltsam von ihnen“, sagte der liberale Prager Regierungschef. „Österreich sollte doch wissen, dass es 25 Prozent seines Stromes aus Tschechien bezieht. Ohne Strom aus Tschechien wäre Wien wahrscheinlich ohne Strom.“

Bei dieser Menge aber irrt Babis: Laut E-Control importiert Österreich nur fünf Terrawattstunden seines Gesamtverbrauches von 60 Terrawattstunden, also nicht einmal zehn Prozent. Wo dieser Strom produziert wird, und es sich dabei um Atomstrom handelt, ist nicht nachvollziehbar.

Als vorläufiger Kompromiss zeichnete sich ein typisch europäischer Mittelweg ab. Alle einigten sich in der Gipfelschlusserklärung auf die höchst allgemein gehaltene Erklärung: „Alle Mitgliedstaaten haben das Recht, selbst über den Energiemix und die geeignetste Technologie zu entscheiden.“

Und auch wenn Polen, Ungarn und Tschechien letztlich doch noch auf den grünen EU-Masterplan im Kampf gegen den Klimawandel einschwenken, steht der EU schon der nächste Streit ins Haus: der um Geld.

Der siebenjährige Haushalt der EU muss befüllt werden. Wobei Kanzlerin Bierlein wiederholte: „Das neue Mehrjahresbudget sollte nicht mehr als ein Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigen.“ Anders gesagt: Wien will nicht mehr nach Brüssel überweisen als bisher. Beim Abendessen wollten die EU-Staats- und Regierungschefs über das heikle Thema beraten. Eine Einigung darüber, ob und wer künftig wie viel mehr zahlen muss, war nicht zu erwarten.

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