EU-China-Gipfel: Die Zeit der Nettigkeiten ist vorbei
Die Stimmung muss schon ziemlich schlecht sein, wenn man sich bestenfalls über griechischen Feta-Käse und chinesische Pixian-Chili-Bohnenpaste einigt. Denn viel mehr als ein mageres, gemeinsames „Ja“ zum Schutz von regionalen Ursprungsbezeichnungen zeichnet sich heute beim Video-Gipfel zwischen den Spitzen Europas und Chinas nicht ab.
Paradigmenwechsel
Eigentlich hätte ein Treffen zwischen Chinas Staatschef Xi Jinping, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und allen anderen EU-Regierungschefs in Leipzig das Rad der verschlechterten Beziehungen herumreißen sollen. Doch Corona macht eine echte Zusammenkunft unmöglich. Und dass sich bei einem zweistündigen Videogipfel die zuletzt massiv gewachsenen Differenzen ausräumen lassen, erwartet in Europa niemand.
Bis vor Kurzem folgte die China-Politik der EU dem Prinzip: ein bisschen Menschenrechte und viel Wirtschaft. Mit dem zweitwichtigsten Handelspartner der EU (nach den USA) wollt man nicht zu heftig anstreifen, auch wenn Uiguren grausam unterdrückt werden oder das Wort „Tibet“ oder „Taiwan“ von westlichen Politikern nicht mehr in den Munde genommen werden durfte, ohne Donnergrollen aus Peking zu ernten.
So etwa schäumte jüngst Chinas Außenminister Wang Yi über den Besuch eines tschechischen Politikers in Taiwan: „Dieser Verrat“ mache Tschechien zu einem „Feind von 1,4 Milliarden Chinesen“.
Nicht erst seit sich Chinas Chefdiplomat im Ton vergriff, antwortet auch Europa mit härteren Bandagen. Bereits seit China im Sommer sein umstrittenes Sicherheitsgesetz für Hongkong erließ, ist es mit europäischen Nettigkeiten endgültig vorbei. Die Liste der Streitpunkte – von Massenstraflagern in Xinjiang bis unfairen Wirtschaftsmethoden – wurde zu lang. „Wir stehen jetzt an einem Wendepunkt bei den europäisch-chinesischen Beziehungen“, bestätigt Mikko Huotari.
Der Vize-Chef des deutschen Thinktanks MERICS (Mercator Instituts für Chinesische Studien) geht davon aus, „dass der techno-nationalistische Kurs Xi Jinpings der Europäischen Union noch mehr Probleme bereiten wird“.
Mit der von ihm vorangetriebenen Strategie „Made in China 2025“ gab der Staatschef in Peking das Ziel vor: China soll bis in fünf Jahren High-Tech-Supermacht und damit Weltmarktführer werden – koste es, was es wolle. Lange Zeit sah man in Europa den sich aufrichtenden Wirtschaftsriesen China als Partner. Man hoffte auf „Wandel durch Handel“ – und damit auf faire Wirtschaftsbeziehungen zum Reich der Mitte. Seit mittlerweile sechs Jahren wird nun über ein gegenseitiges Investitionsschutzabkommen verhandelt – es wäre das Herz- und Glanzstück einer aufrechten ökonomischen Partnerschaft zwischen den zwei Handelsgiganten.
„Systemischer Rivale“
Doch aus dem Partner wurde ein „systemischer Rivale“, wie die EU im Vorjahr erstmals feststellte.
Denn trotz aller Versprechen Chinas, seinen Markt zu gleichen Bedingungen zu öffnen, wie es Europa gegenüber chinesischen Unternehmen hält, wurden sie bisher nicht erfüllt. Subventionen für staatliche chinesische Firmen untergraben zudem die Wettbewerbsbedingungen mit europäischen Unternehmen.
Und in China tätige Firmen werden nach wie vor gezwungen, ihr technologisches Know-how an China abzuliefern. Das angepeilte Investitionsschutzabkommen liegt damit noch immer in weiter Ferne.
Kritik an Klimapolitik
Da brauchte es nicht erst die Corona-Krise, um den skeptisch gewordenen Europäern vor Augen zu führen: Wenn sich China nicht auf gemeinsame Regeln mit Europa einlässt, muss sich die EU stärker gegen China schützen. Chinesischen Firmen soll es künftiger schwerer gemacht werden, sich in Europa einzukaufen. Und auch der Abhängigkeit von China – etwa bei medizinischen Produkten oder Rohmaterialien wie seltenen Erden – soll gegengesteuert werden.
Für großen Unmut in Europa sorgt auch Chinas Klimapolitik. Der Umweltsünder Nummer Eins baut weiterhin Kohlekraftwerke, nicht nur in China, sondern in der ganzen Welt – und sorgt auch für deren Finanzierung. Drei Mal hat China bisher angekündigt, im eigenen Land ein Emissionshandelssystem einzuführen – drei Mal wurde dieses Versprechen gebrochen.
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