"Es gibt ein Kommunikations-Desaster"

APA7820106-2 - 09052012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT AI - EU-Vizeparlamentspräsident Othmar Karas anl. eines Europatag-Empfangs der Vertretung der Europäischen Kommission und des Informationsbüros des Europäischen Parlaments am Mittwoch, 09. Mai 2012, in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Interview: Othmar Karas, Vizepräsident des EU-Parlaments, findet Zypern-Hilfe irritierend.

KURIER: Herr Vizepräsident, Hugo Portisch hat kürzlich EU-Kommissaren vorgeworfen, ,kein Gespür‘ für Menschen zu haben. Stimmt das?
Othmar Karas: Als Pauschalvorwurf kann ich das so nicht stehen lassen. Es gibt in manchen Bereichen ein Informations- und Kommunikationsdesaster. Zypern hat das wieder gezeigt. Entscheidungen, die nationale Minister allein hinter gepolsterten Türen treffen, fehlt die Akzeptanz durch die Bürger und die demokratische Legitimierung. Das Europa-Parlament hat Gespür für Bürger. Das zeigen Entscheidungen wie die Deckelung der Banker-Boni oder die Senkung der Handy-Roaming-Gebühren. Dass noch nicht alle Entscheidungen vom Parlament mitbestimmt werden, ist ein Konstruktionsfehler der EU.

Kann man den Fehler beheben?
Durch politischen Willen und eine Vertragsänderung. Die muss vorbereitet sein. Österreich begeht 2014 das Jubiläum 200 Jahre Wiener Kongress und 20 Jahre EU-Referendum. Deshalb schlage ich vor, dass Österreich einen neuen Wiener Kongress zur Zukunft Europas einberuft, ein Kick-off-Event für einen Konvent mit Einbeziehung der Bürger. Ziel ist eine Politische Union Europas.

Ist die Bankenrettung Zyperns ein Modell für die Zukunft?
Nein. Wir haben noch immer zu viele nationale Instrumente für das europäische Projekt. Die Krise hat gezeigt, dass wir die Bankenunion brauchen. Sie umfasst neue Regeln für 8200 Banken, eine einheitliche Bankenaufsicht, Einlagensicherung und ein Bankeninsolvenzrecht. Weil es in diesem Bereich nicht genügend europäische Regelungen gibt, werden sie bei jedem Problem neu erfunden. Das schafft Irritationen. Der Schritt nach der Bankenunion ist die Fiskalunion (verstärkte Koordinierung der Steuer-, Wirtschafts- und Budgetpolitik, Anm.).

Sind Sie dafür, dass die EU in nationale Politik und in das Bankensystem eingreift?
Ja, weil der Finanzmarkt grenzüberschreitend ist. Alle politischen Instrumente, die zur Steuerung des Euro nötig sind, müssen in die Hände der EU gelegt werden. Wenn ein Land Regeln nicht einhält, muss die EU eingreifen können. Wenn es EU-Geld zur Bankenrettung gibt, wie in Zypern, muss das Bankensystem reformiert und Schlupflöcher müssen beseitigt werden.

Fällt das österreichische Bankgeheimnis?
Österreich hält EU-Recht und OECD-Bestimmungen ein. Es gibt die Kapitalertragssteuer auf alle Konten. Wir sind Vorreiter bei der Finanztransaktionssteuer. Das Bankgeheimnis schützt nicht vor Geldwäsche und vor Strafverfolgung bei Rechtsverletzungen.

ÖVP-Parteichef Spindelegger würde sich über Ihre Kandidatur bei der Europa-Wahl freuen. Er hat aber nicht gesagt, dass Sie Spitzenkandidat werden sollen.
Ich habe mir als Termin für meine Entscheidung Ende 2013 gesetzt. Sollte mich der Parteichef fragen, ob ich wieder kandidiere, werde ich ihm meine Entscheidung und meine Bedingungen für die Wiederkandidatur sagen.

Die EVP ist die größte Fraktion im EU-Parlament. Ist der nächste Kommissionspräsident wieder ein Christdemokrat?
Die Wähler entscheiden. Wir wollen Nummer 1 bleiben. Daher hat die EVP eine besondere Verantwortung bei der Kandidaten-Auswahl.

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