Erstes deutsches TV-Triell: So haben sich Scholz, Laschet und Baerbock geschlagen
Nicht zwei, sondern gleich drei wollen es wissen und ins Kanzleramt einziehen: Armin Laschet (CDU/CSU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) trafen an diesem Sonntag erstmals im deutschen Fernsehen aufeinander und lieferten sich in einer Live-Sendung der Fernsehsender RTL und ntv das erste sogenannte "Triell".
Knapp zwei Stunden diskutierten sie über den Einsatz in Afghanistan, die Corona-Politik, Klimakrise, Innere Sicherheit und Sozialpolitik.
Armin Laschet
Der Unions-Kanzlerkandidat und nordrheinwestfälische Ministerpräsident tritt vor Kameras zwar gerne als rheinische Frohnatur auf, aber der Gang ins Fernsehstudio in Berlin-Adlershof war für ihn diesmal sicher kein leichter. CDU/CSU kommen in der aktuellen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut INSA für Bild am Sonntag erhebt, auf 21 Prozent. Das ist der niedrigste Wert, den INSA je für die Union gemessen hat. Auch Laschets persönlichen Werte sind im Keller: Würden die Menschen in Deutschland den Kanzler direkt wählen, käme nicht er in Frage, sondern SPD-Kandidat Olaf Scholz.
Der Druck ist also hoch und Laschet lieferte am Sonntagabend den Eindruck, als hätte er sich fest vorgenommen, den netten Onkel in der Studio-Garderobe zu lassen. Statt einem verschmitzen Lacher gab’s ernste Blicke, Angriffe und Argumente, die er immer wieder mit der rechten Handkante untermauerte. Ein Stilwechsel, der auch dem internen Drängen geschuldet ist: Vielen in der Union war Laschet bisher zu nett und zahm im Wahlkampf.
Gleich beim ersten Thema - Afghanistan - warf er der SPD vor, sich gegen die Beschaffung von Drohnen für die Bundeswehr gestellt zu haben, wohlwissend, dass es hier interne Konflikte zwischen den Flügeln gibt. Die Grünen wiederum würden bei Außen- und Sicherheitspolitik nicht klar genug sein, kritisierte er. Als über Klimaschutz diskutiert wurde, stichelte er ("Ich weiß jetzt nicht, ob die Bürger das alles verstanden haben, was Frau Baerbock da geschildert hat") und zog die Verbotspartei-Karte ("Sie legen der Industrie fesseln um die Füße und sagen: Dann lauf mal schneller"). Er selbst setze auf Innovationen, denn Deutschland sei das Land der Erfinder und Tüftler, so Laschet, der an dieser Stelle ein bisschen so klang, als würde er hoffen, dass diese mit dem Zauberstab angeflogen kommen.
Auf die Frage, was er für den Klimaschutz verbieten würde, antwortete er betont cool: "Nichts". Dazu ein leicht provokanter Blick, der aber nicht hundertprozentig sicher wirkt. Sein wohl stärkster Moment, der intern Gefallen finden dürfte: Als er gegen Scholz schießt, der eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausschließt. Er verstehe nicht, warum diesem das so schwerfalle. "Ich kann das sagen, wir werden mit denen nicht koalieren, und ich will, dass die AfD aus den Parlamenten verschwindet", sagte er mit Blick auf den Unvereinbarkeitsbeschluss, den die CDU auf dem Parteitag 2018 verabschiedet hat.
Schwachpunkt: In seinem Schlussstatement sprach er vom Wind der Veränderung, der ihm ins Gesicht bläst und dem man nur mit Standhaftigkeit, inneren Kompass und Werten gegenhalten kann. Das klang ein bisschen so nach: Alles bleibt beim Alten, er stellt sich allem fest entgegen. Laschet hätte hier eine positivere Erzählung wählen oder sagen können, was er genau vorhabe.
Olaf Scholz
Der Vizekanzler und Regierungschef glänzte nicht nur mit seinem schwarzen Anzug, sondern auch in den Umfragen. Monatelang schien die SPD einzementiert zwischen 12 und 15 Prozent. Noch im Mai bekam er Spott und Häme, weil er als Dritter an einem Triell teilnimmt. Nun hat sich die Stimmung gedreht: Scholz führt in der Kanzlerfrage, seine Partei zog in Umfragen nach und steht seit 15 Jahren erstmals wieder vor der Union. Im Sonntagstrend von INSA gewinnen die Sozialdemokraten zwei Prozentpunkte im Vergleich zur Vorwoche dazu und stehen bei 24 Prozent - das höchste Ergebnis seit September 2017.
Sollte Scholz deswegen innerlich vor Freude explodieren, ist er ein Meister des Verbergens. Auch während der Diskussion wirkte er unaufgeregt, ruhig, manchmal aber auch so, als wäre er nicht da. Etwa, wenn sich Baerbock und Laschet beim Klimaschutz duellierten.
Ein Moment, wo Scholz für seine Verhältnisse angriffig wurde, kam beim Thema Innere Sicherheit: "Da haben Sie sich jetzt verheddert, das können Sie gerne zugeben", sagte er in Richtung Laschet, der die Vorratsdatenspeicherung einforderte. Diese sei längst beschlossen, wird aber derzeit vor dem EuGH verhandelt, ließ Scholz wissen.
Auch sonst parierte er sämtliche Forderungen der Konkurrenz als quasi schon beschlossen oder auf dem Weg. Zum Beispiel beim Geld für Filteranlagen in Schulen bzw. überhaupt, um diese corona-sicher umzubauen. Die Botschaft an die Zuseher sollte lauten: Hier spricht ein Erfahrener, der mitregiert und alles im Blick hat. Zur Draufgabe gab er beim Schlussstatement den Staatsmann: Er wolle "Respekt vor jedem und jeder, Respekt vor jedem Beruf, Respekt vor jeder Lebensleistung" und dafür "als Bundeskanzler dienen". Ein Satz, der so ähnlich schon einmal fiel. 2017 begründete Angela Merkel damit ihre vierte Kandidatur.
Wo es für ihn noch ungemütlich wird: Wenn es um die mögliche Koalition mit der Linkspartei geht, die der nicht dezidiert ablehnt. Laschet schlägt seit Wochen in diese Kerbe und warnt vor einem "rot-rot-grünen Schreckensgespenst". Scholz versuchte dem gestern zu entgehen, indem er von seinen klaren Prinzipien sprach. Diese würde er auch vom Bündnispartner einfordern. Ein Bekenntnis zur NATO sei für ihn etwa Bestandteil eines jeden Koalitionsvertrages, was die Linke großteils ablehnt. Scholz lieferte somit indirekt eine Absage, wobei er dies nie so deutlich sagen würden. Denn der zum konservativen Teil seiner Partei gehörende SPD-Mann hat hier den linken Teil seiner Partei im Nacken, der auf ein rot-rot-grünes Bündnis hofft.
Annalena Baerbock
Die Grünen stehen derzeit in der Umfrage bei 17 Prozent und sind wieder hinter Scholz und die SPD gerutscht. Nach dem verpatzten Wahlauftakt, den negativen Schlagzeilen um ihren Lebenslauf und die Plagiatsvorwürfe muss Annalena Baerbock wieder Boden gut machen. Ähnlich wie Armin Laschet ging sie stark in die Offensive. Zudem wirkte sie weniger verunsichert und steif, wie bei den Auftritten in den Wochen zuvor.
Ihre Strategie: Sie rief die Bundestagswahl zur Richtungsentscheidung zwischen Weiter-So und Aufbruch aus. Die anderen würden sich bei allem wegducken und abwarten. Besonders beim Thema Pandemie und Klimaschutz kritisierte sie die Große Koalition: Bund und Länder hätten zu sehr abgewartet, auch jetzt passiere kaum etwas zum Schutz von Kindern vor der vierten Welle, etwa um Schulen vor Corona sicher zu machen ("Kinder und Jugendliche haben bei Ihnen in den letzten eineinhalb Jahren keine Priorität gehabt"). Ihre Kritik richtete sich dabei immer wieder an Finanzminister Scholz, dem sie auch beim Klimaschutz vorwarf, nur auf dem Plakat dafür zu werben. Wenn die nächste Regierung nicht alles auf Klimaneutralität ausrichte, bekomme Deutschland ein "fettes Problem", so Baerbock.
Ihr Lieblingsgegner an diesem Abend war aber doch Armin Laschet. Dieser bekrittelte, dass ihre Partei nur das Verbot des Verbrenner-Motors im Programm habe. Baerbock wies ihn zurecht und befand, dass die Union gar keinen Plan hätte ("Sie können ja die Geschichten, die man vor fünf Jahren erzählt, immer wieder erzählen). Dann zählte sie den der Grünen auf: Unter anderem eine Solarpflicht für Neubauten, mehr Tempo beim klimaneutralen Umbau der Industrie. Diese wäre da viel schneller unterwegs als die Politik. Mögliche Mehrkosten durch die Energiewende sollten laut der Grünen wieder an die Menschen zurückgegeben werden; Menschen mit geringen Einkommen mehr Förderung bei E-Autos bekommen oder Anspruch auf zinsfreie Kredite haben.
In puncto Sozialpolitik zeigte Baerbock, dass die Grünen der SPD Wähler streitig machen wollen. Sie sprach sich für eine Kindergrundsicherung aus. Man könne nicht einfach hinnehmen, dass jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut lebe. Ähnlich wie Scholz will sie in puncto Steuerpolitik die stärkeren Schultern mehr belasten. Der Finanzminister und SPD-Mann fordert, dass Leute seiner Einkommensklasse etwas mehr bezahlen, um damit Steuerentlastungen für jene zu finanzieren, die weniger verdienen. Der Spitzensteuersatz sollte um drei Prozent erhöht werden. Armin Laschet wiederum bezeichnte die steuerpolitischen Vorstellungen von SPD und Grüne als "töricht" - Es sei grundfalsch, zu sagen, die Steuern für Reiche müssten erhöht werden.
Gab es Sieger/Verlierer?
Weder Baerbock, Scholz noch Laschet sind in diesem ersten von vier TV-Aufeinandertreffen grobe Patzer oder Fehler unterlaufen. Der CDU-Mann überraschte mit seinen Angriffen, SPD-Kandidat Scholz blieb bei seinem Erfolgsrezept: Möglich ruhig und unauffällig sein und die grüne Kanzlerkandidatin ging bei ihrem Kernthema in die Offensive. Wo sich alle drei ingesamt einig waren: Es soll unter den derzeitigen Umständen keinen neuen Lockdown geben und mehr Menschen zum Impfen bewegt werden. Auf die Frage, ob eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie in Frankreich eingeführt werden solle, antworteten alle mit "Nein".
Eine Blitz-Umfrage des Forsa-Institutes nach der Sendung ergab: 36 Prozent fanden Scholz am überzeugendsten, für Baerbock stimmten 30 Prozent und für Laschet nur 25 Prozent.
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