Basics fehlen nach wie vor
Heute lebt Elçin in einem kleinen weißen Container, nebenan sind reihenweise Zelte aufgestellt – rund drei Millionen Menschen leben in den provisorischen Unterkünften, seit Monaten. Nach wie vor arbeiten die Hilfsorganisationen daran, die Grundbedürfnisse zu decken, stellen Lebensmittel und Trinkwasser bereit, richten Latrinen und Schlafplätze ein.
Die unzähligen Kinder, die in den Zeltstädten leben, waren seit einem halben Jahr nicht in der Schule. Es gibt keine Kindergärten, keine Arztpraxen, keine Geschäfte, nichts. Nur Schutt und Trümmer. "Wer jetzt noch da ist, konnte nirgendwo anders hin", sagt Easter.
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Geht es nach Präsident Recep Tayyip Erdoğan, soll sich das in den kommenden sechs Monaten ändern. Vor der Parlamentswahl im Mai hatte er versprochen, die zerstörten Häuser in den betroffenen Provinzen innerhalb eines Jahres wieder aufzubauen. Im Juli sprach er von insgesamt 650.000 Häusern, die man bauen wolle. Die wären dringend nötig: Wenn draußen, so wie im Sommer üblich, Temperaturen von teils über 40 Grad Celsius herrschen, ist es in den Zelten kaum aushaltbar. Gleichzeitig fürchten die Menschen bereits die kalten und schneereichen Monate. Winterfest sind die Zelte nicht.
Bürokratie behindert Aufbau
Ebru Özdemir vom Polit-Think Tank Spectrum House hält es für unwahrscheinlich, dass Erdoğan sein Versprechen hält. Bisher seien gerade einmal 140.000 Gebäude im Entstehen. Behindert werde ein rascher Aufbau auch durch die in der Türkei vorherrschenden Zentralisierung, der schon kurz nach dem Beben vorgeworfen wurde, Hilfe zu verzögern: "Jede Entscheidung muss über Ankara gehen, jedes Bauprojekt von ganz oben bewilligt werden. Die Regierung will alles kontrollieren."
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Özdemir beklagt auch die Intransparenz bei der Hilfe der Regierung: "Wir wissen nicht, ob die Gebäude, die jetzt aufgebaut werden, den Sicherheitsvorschriften entsprechen." Nach dem Beben wurde der Regierung Mitschuld an der Zerstörung gegeben: Sicherheitsvorschriften sollen jahrzehntelang missachtet, Geld aus der Erdbebensteuer abgezweigt worden sein. Später gab die Regierung sogar zu, das Geld für andere politische Projekte genützt zu haben.
Weder der Missbrauch der Gelder noch das Missmanagement hatten, anders als von Regierungskritikern und Oppositionellen vermutet, Erdoğan bei den Wahlen Stimmen gekostet: In der Mehrheit der vom Erdbeben betroffenen Regionen, zum Teil traditionelle AKP-Hochburgen, siegte der amtierende Präsident. Die Menschen hätten kein Vertrauen gehabt in das heterogene Oppositionsbündnis, so Özdemir.
Sie beklagt, dass die Parteien nach der Wahlniederlage mit Streitigkeiten und Schuldzuweisungen beschäftigt seien, anstatt im Parlament die Regierung auf ihre Fehler hinzuweisen: "Sie lassen zu, dass die Menschen im Erdbebengebiet vergessen werden."
Elçin hingegen vergisst nicht, wird sie wohl nie. Das Abbild ihrer Kinder ziert mittlerweile ihren rechten Unterarm – in Form eines Tattoos.
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