Erdbeben in Kroatien: Auch das Vertrauen wurde zertrümmert
Es ist an diesem Werktag gespenstisch still im Zentrum der mittelkroatischen Stadt Petrinja. Wo in der Monarchie weltoffene Bürger flanierten, wo sich im Krieg vor dreißig Jahren Kroaten und Serben erbitterte Häuserkämpfe lieferten, wo noch vor dem Jahreswechsel trotz Lockdowns Hunderte Autos parkten, achten jetzt wenige Polizisten darauf, dass niemand die mit roten Kreuzen markierten Bürgerhäuser betritt. In der Ferne ist immerhin das Hämmern einer Baumaschine zu hören.
Rot bedeutet: Muss abgerissen werden. Rot ist überall: Der historische Kern muss zur Gänze neu aufgebaut werden.
Noch immer werden die rund 25.000 Bewohner von Petrinja täglich von neuen Erdbeben überrascht. Doch nicht nur die Erde ist instabil, auch die Stimmung in der Bevölkerung wirkt aufgekratzt.
„Nach dem Krieg hat man das ganze Geld in den Wiederaufbau von Vukovar gesteckt“, empört sich die pensionierte Grundschullehrerin Mirjana Kocmanić. „Auf uns hat man, obwohl wir nur 55 Kilometer von Zagreb entfernt leben, völlig vergessen.“
Eine Kritik, die man nicht erst seit den schweren Erdbeben auch in den benachbarten Städten Sisak und Glina vielfach zu hören bekommt.
Faktum ist, dass in diesem Landkreis so viele Arbeitslose wie nirgendwo sonst in Kroatien leben und dass sich speziell Jüngere und besser Ausgebildete bei erstbester Gelegenheit in die Hauptstadt oder gleich ins Ausland absetzen. Die meisten für immer.
Lehrerin Kocmanić zeigt von ihrem Haus auf ein Nachbarhaus: „Jetzt verlieren wir auch noch die letzten Getreuen.“ Soeben steigt ein junges Paar mit drei Kindern ins Auto. Auf der Insel Krk können die Krankenschwester und der Handwerker sofort zu arbeiten beginnen. Warum sie wegziehen? „Petrinja war für uns schon vor den Erdbeben eine einzige Baustelle, überall Korruption. So ein Leben wollen wir unseren Kindern nicht zumuten.“
Wenige lassen hier ein gutes Haar an der Regierung von Ministerpräsident Andrej Plenković, der die in der europäischen Volkspartei beheimatete HDZ bei den Parlamentswahlen im Vorjahr souverän zum Sieg geführt hat. Kritisiert wird, dass die Regierungsspitze mehr Wert auf makellose Medienauftritte denn auf konkrete Hilfe legt.
„Es fällt auf, dass jenen, die nahe dran sind an den Regierungsparteien, viel schneller geholfen wurde, als den anderen“, kritisiert etwa die Vizebürgermeisterin von Glina, Branka Bakšić Mitić, im Gespräch mit dem KURIER. Die Vertreterin der serbisch-stämmigen Minderheit, die nach dem Krieg auf zwölf Prozent abgesunken ist, will mit ihrer Kritik das Misstrauen zwischen Kroaten und Serben nicht weiter befeuern. Das ist in vielen Gesprächen noch immer sehr präsent.
„Die beste Regierung“
Lob für die Regierung kommt von Djuro und Margarete Gavrilović, Österreicher, die im Krieg die gleichnamige Wurstfabrik in Petrinja übernommen und danach modern ausgebaut haben: „Das ist die beste Regierung, die Kroatien je hatte. Premier Plenković hat sich in sein Kabinett starke Persönlichkeiten und echte Experten geholt.“
Weniger begeistert von der aktuellen Politik ist Tamara Jovičić von der „Udruga Iks“. Die Direktorin der Nichtregierungsorganisation hilft derzeit auch österreichischen Freiwilligen bei der Verteilung ihrer Hilfsgüter.
Zeitgleich steht sie in der Geisterstadt Petrinja auch vor den Trümmern ihres eigenen Engagements. Seit 17 Jahren bemüht sich die Sozialarbeiterin, mit internationalem Spendengeld, den Exodus der Jungen einzudämmen. Das Erdbeben hat auch ihr Büro völlig devastiert. Jovičić hat sich in Petrinja den Ruf einer Frau erarbeitet, die nie ihren Optimismus verlieren und nie ihre Stadt verlassen wird. Heute zum ersten Mal wirkt auch sie ein wenig resigniert.
Nicht hilfreich in der angespannten Situation war die Wortmeldung des katholischen Bischofs von Sisak, Vlado Košić. Der meinte laut kroatischen Medien sinngemäß: „Wir haben Türken, Serben und Kommunisten besiegt, wir werden auch mit dem Erdbeben fertig.“ Herbe Kritik dafür erntete der Kirchenmann nicht nur von den Vertretern der Minderheit.
Gemeinsam stark: Der KURIER kooperiert bei seiner Spendenaktion mit den beiden Hilfsorganisationen Rotes Kreuz und Caritas. Darüber hinaus unterstützen erfahrene Mitarbeiter des AußenwirtschaftsCenter Zagreb der Wirtschaftskammer (WKÖ) die Aktion mit ihrer in Kroatien erworbenen Expertise.
Caritas: Kennwort: „Kroatienhilfe Kurier“ Der IBAN des Spendenkontos der Caritas lautet: AT23 2011 1000 0123 4560
Rotes Kreuz: Kennwort: „Kurier Erdbebenhilfe Kroatien“. Der IBAN des Rot-Kreuz-Spendenkontos lautet: AT57 2011 1400 1440 0144
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